PANORAMA Archiv

Januar - Dezember 2004


 

31. Dezember 2004


Seit Erscheinen der Lübbe-Ausgabe von IMAGON erhalte ich sporadisch E-Mails von Lesern, mit der oft scherzhaften, zumeist aber nachdenklichen Bemerkung, das Ende des Romans "erst einmal verdauen" zu müssen. Was sie damit speziell meinten (bzw. welche Textstelle), stand leider nie dabei, höchstens vage Andeutungen oder Ereignisse, die ich zusätzlich hätte auflisten können. Angesichts der immer intensiver werdendenden Arbeiten an MORPHOGENESIS konnte ich mich bis vor kurzem auch gar nicht mehr genau an das Ende von IMAGON erinnern.

Dieser Tage erhielt ich jedoch zwei Leserbriefe, in denen beide Verfasser sich nach der weihnachtlichen Lektüre des Romans die Mühe gemacht haben, die betreffende Textstelle abzutippen. Die selbe Textstelle, wohlgemerkt. Während ein Leser das ganze nur mit einem lapidaren "Ups!" kommentierte, schrieb der zweite - bewegt von den erschreckenden Ereignissen im Indischen Ozean - einen längeren Brief. Darin meinte er u. a.: "Ich könnte natürlich beginnen, an die Anwesenheit der Esh'maga zu glauben. Der Breitengrad hat gestimmt, nur der Längengrad war knapp daneben - 3000 Kilometer zu weit im Osten, also eigentlich spiegelverkehrt, so man Borneo als Achse nimmt (...)" Die auch von ihm zu Erklärung angehängte Textstelle war nicht sehr lang, lediglich ein Absatz, der Beginn einer fiktiven Aufzählung von Ereignissen. Offenbar sind viele Leser der berechtigten Ansicht, Autoren könnten nach getaner Arbeit ihre Texte tatsächlich wieder vergessen ...

Besagter Absatz (beginnend S. 567 unten) lautet: Seit drei Monaten verfolge ich aufmerksam die Nachrichten, durchforsche sie nach verdächtigen Meldungen, nach Anhaltspunkten für ihre Aufenthaltsorte und Vorboten dessen, was über uns kommen mag. Ihre Vorzeichen sind unverkennbar: die sich häufenden, gewaltigen Seebeben im Pazifik, die ihren Ursprung in der Bismarck-See haben, und die nachfolgenden, verheerenden Springfluten, die weite Küstengebiete Papua-Neuguineas und die Tuamotu-Inseln verwüsteten. (...)

Vor über einem Jahr hatte ich angekündigt, irgendwann eine Art virtuellen Teil 7 von IMAGON online stellen zu wollen. Er hätte eine Brücke von den Romanereignissen zur Realität geschlagen und Nachrichten enthalten, die man getrost als seltsam bezeichnen könnte. Meldungen, die seit Erscheinen der Festa-Ausgabe 2002 bei Spiegel-Online und anderen Internet-Nachrichtendiensten erschienen sind und die finalen Ereignisse von IMAGON hätten fortführen sollen. Leider gab mir der Spiegel damals kein grünes Licht, diese Nachrichten unter Quellenangabe im Originalwortlaut zu veröffentlichen, sondern lediglich die Erlaubnis für eine Verlinkung zu den Originalseiten von Spiegel-Online. Da dies jedoch 1) nicht gerade wie ein Romankapitel ausgesehen hätte, und 2) die Archivseiten des Spiegel irgendwann nur noch mittels Click&Buy (0,50 € pro Artikel) abrufbar sind, ließ ich das Projekt schleifen. Letztlich haben mir noch ein paar Bekannte erfolgreich eingeredet, ein derartiges News-Romankapitel besäße einen zu esoterischen Touch.

Gesammelt habe ich bis heute über zwei Dutzend Nachrichten aus aller Welt, mit der Absicht, sie im Rahmen eines mehr oder minder 7. IMAGON-Kapitels irgendwann doch noch ins Netz zu stellen; Meldungen über eigenartige Geräusche aus der Tiefsee, riesige angeschwemmte Gallerhaufen, bizarre Lebewesen und etliche seltsame Geschehnisse mehr aus den Ozeanen rund um den Globus. Die Frage bleibt: Interessiert das im Bezug auf den Roman überhaupt noch jemanden? Dann würde ich nämlich beginnen, diese Meldungen nach und nach - in den Worten des Protagonisten Poul Silis und aufs Wesentliche reduziert, aber unverfälscht - auf der IMAGON-Seite zu veröffentlichen.

In diesem Sinne wünsche ich allen trotz des Schattens über Südasien einen angenehmen Rutsch ins Jahr 2005.

 

23. Dezember 2004


Lektormat
Liebes Christkind,

ich wünsche mir von ganzem Herzen einen Lektormaten; irgend so eine lustige bunte Blechkiste von der Größe eines Schuhkartons, in die man fünfzig Manuskriptseiten reinschmeißt, dazu einen Rotstift und einen Textmarker. Dann Deckel drauf, gut schütteln und zwanzig Minuten bei Zimmertemperatur "ziehen" lassen. Irgendwann macht es schließlich "Bing!", und die fünfzig Seiten sind fertig lektoriert.

Ja, und dann wünsche ich mir noch einen Korrektur-Zwerg, der nachts, wenn ich schlafe, den ganzen Kram am Computer ins Hauptmanuskript überträgt. Du weißt schon, einen dieser knubbeligen kleinen Wichte, die so groß sind wie ein Meerschweinchen und keine Fragen stellen. Der darf dann ganz oben in meinem Arbeitstisch in der Schublade wohnen und in einem kuscheligen Nest schlafen, dass er sich aus den Schnipseln meiner negativen Buchkritiken gebaut hat
...


Aber eine Stimme tief in meinem Innern sagt mir, dass auch dieses Jahr nichts daraus wird ...

Zu meiner langen Sendepause ein kleiner Beitrag zum Thema "sinnlose Statistiken": Vor einer Woche habe ich mal ausgerechnet, wie lange ich nach Fertigstellung eines Romans im Durchschnitt an der Überarbeitung eines Textes sitze, der dem Umfang von MORPHOGENESIS entspricht. Es sind bekanntlich 720 Manuskriptseiten. Ich lese den fertigen Roman vor und nach dem Fremdlektorat komplett durch, wobei die Ausdrucke nach meinen Korrekturen beim ersten Mal (Vorwäsche) sehr rot und beim abschließenden dritten Eigenlektorat (Spülen) immer noch von relativ vielen Anmerkungen übersät sind. Allerdings übernehme ich diese Korrekturen nahezu blind ins Maindoc, denn es sind schließlich meine eigenen.

Ganz anders läuft da der Hauptwaschgang: Für die Einarbeitung der Korrekturvorschläge und Änderungen des zweiten, wie erhofft ebenfalls sehr intensiven Fremdlektorats benötige ich pro Manuskriptseite im Durchschnitt fünfzehn Minuten. Natürlich beansprucht eine Seite manchmal nur fünf Minuten Arbeitszeit, da nicht viel angemerkt war. Viele Seiten entblößen jedoch schonungslos die Betriebsblindheit eines Autors, der die Handlungszusammenhänge zwar im Kopf mit sich herumträgt, diese aber nicht immer so stringent darstellt, dass der Leser dem Ideenkonstrukt auch folgen kann. Diese Seiten mit ihren Ergänzungen, Umformulierungen, Streichungen und sonstigen Modifikationen sind die wahren Zeitfresser. Nicht selten recherchiere ich bei Vorschlägen oder Hinweisen des Lektors noch einmal in Büchern oder im Internet (wobei ich mir dabei seit Mitte November bereits fünf Computerviren und drei Trojaner eingefangen habe). Ich muss abwägen, ob vorgeschlagene Änderungen in Stil und Grammatik noch meiner "Schreibe" bzw. meinem Sprach- und Leseempfinden entsprechen. Abwägen, ob Kontext und Rhythmus durch Streichungen oder Ergänzungen nicht zerstört werden. Und, und, und ...

Sind diese 720 Seiten Fremdlektorat endlich übertragen (und die Viren wieder gelöscht), drucke ich alles aus und lese den Roman wie erwähnt noch einmal durch, dahingehend, ob die Korrekturen sich tatsächlich zufriedenstellend in den bisherigen Text einfügen und alles miteinander harmoniert. Spätestens bei diesem dritten Durchgang habe zumindest ich (nachdem ich den Roman bereits ein Jahr lang geschrieben habe) die Nase gestrichen voll vom eigenen Werk. Obwohl man an Übersättigung leidet, darf man die Konzentration jedoch nicht verlieren; im Nacken immer die Deadline, an deren Ende der Text satzfertig vorliegen muss.

Dank der bedenkenloseren Übernahme der Korrekturen bei den eigenen beiden Lesedurchgängen entspricht die beidmalige Einarbeitung dieser Änderungen in etwa dem Zeitaufwand, den ich allein für die Bearbeitung des Fremdlektorats benötige: also ebenfalls fünfzehn Minuten für zwei Manuskriptseiten. Ergo: ca. 1400 Manuskriptseiten à fünfzehn Minuten. Würde ich also jeden Tag (inclusive Wochenenden) acht Stunden pro Tag nur Korrekturen und Lektorat übertragen, würde ich allein dafür 45 Tage benötigen ... Wobei nach mündlicher Verkündung dieser Statistik aus dem Schlafzimmer die mahnende Stimme meiner Freundin erklang: "Wenn du die nächsten sechs Wochen mitsamt Wochenenden durcharbeitest, bist du danach Single ...!"

Na, zum Glück habe ich bereits die Hälfte geschafft. Wie dem auch sei: Am 31. Januar 2005 muss MORPHOGENESIS beim Verlag liegen. Ab 31. Januar 2005 bin ich wieder ein freier Mensch und kann mich (zumindest eine gewisse Zeit lang) um andere Dinge kümmern als um das Schreiben von Büchern und ihren lästigen Rattenschwanz, das Einarbeiten des Lektorats. Bis dahin (oder vielleicht sogar schon früher): ein frohes Fest, angenehme Feiertage, einen guten Rutsch und einen angenehmen Start in ein hoffentlich friedliches und erfolgreiches Jahr 2005!

 

29. Oktober 2004


Utopiales Festivalposter Seit vorgestern wieder zurück von einem zehntägigen Ausflug nach Süddeutschland. Kaum am Schreibtisch, muss ich bereits für die nächste Reise planen; nach Frankreich diesmal, an die Atlantikküste. Urlaub? Mitnichten. Es erwartet mich u. a. eine Podiumsdisskussion über deutschsprachige SF, die ich gemeinsam mit Andreas Eschbach, Markus Hammerschmitt und Leo Lukas bestreiten muss. Zumindest habe ich es vor zwei Wochen noch geschafft, die ersten Kapitel meines Jugendromans an den Thienemann-Verlag zu schicken, damit man dort eine Vorstellung von der Geschichte kriegt. Da im Verlag wahrscheinlich alle noch in den Buchmesse-Nachwehen stecken, rechne ich mit einer ersten Reaktion frühestens Ende November.

Was sich sonst noch Relevantes angesammelt hat, nachfolgend in einer kurzen Zusammenfassung:

· Mein Abstecher in den Süden der Republik führte mich unter anderem nach Ulm, zur ersten Besprechung eines Projektes, das meinen Roman IMAGON zur Grundlage nimmt. Da das Ganze noch nicht direkt spruchreif ist, nur soviel: Das Buch wurde in einer ersten Version auf 22 Seiten eingedampft. Derzeit wird Musik komponiert, Liedtexte geschrieben und vieles ins Englische übersetzt - und irgendwann werden für das Projekt wohl auch Sänger und Sängerinnen gecastet werden. An der musikalischen Umsetzung bin ich mit beteiligt, worauf ich mich bereits mächtig freue. Wer jetzt an singende Shoggothen denkt, darf ruhig grinsen. Mir geht es momentan auch nicht anders. Aber ich bin offen für Experimente und gespannt, wie sich das Projekt weiter entwickeln wird. Ende 2005, Anfang 2006 soll es fertig sein. Nebenbei bemerkt: Die Besprechung endete als feuchtfröhlicher Abend in einem sehr tief unter Ulm gelegenen Irish Pub.

· Der Zufall wollte es, dass in der Woche, in der ich in Stuttgart weilte, Andreas Eschbach in der bestens besuchten Buchhandlung Steinkopf aus seinen Frühwerken las. So konnte sich der berüchtigte, um den Ulmer Schriftsteller Wulf Dorn gewachsene "Club der fetten Dichter" seit langem wieder geschlossen zum Verzehr blutiger Steaks treffen und sich die Köpfe heiß reden. Auch dieser Abend endete (gemeinsam mit Wulf Dorn) bei viel Guinness in einem Irish Pub.

· Sollte ich in den nächsten zehn Jahren mit der Schriftstellerei auf keinen grünen Zweig kommen, eröffne ich einen Irish Pub in Ulm.

· Kaum aus dem Süden zurückgekehrt, wartete auf meinem Schreibtisch ein dicker Umschlag mit den ersten 350 lektorierten Seiten von MORPHOGENESIS darauf, bearbeitet zu werden. Ich sollte mich klonen lassen ...

· Heute trudelte ein Päckchen mit vier druckfrischen Belegexemplaren der Anthologie DER ATEM GOTTES bei mir ein. Wer nur ein einziges Belegexemplar erhalten hat, der möge bitte nicht gleich mit dem Panzer vor dem Shayol-Verlag auffahren: Drei der erhaltenen Bücher gedenke ich nächste Woche auf das UTOPIALES-Festival nach Nantes mitzunehmen, als Gesprächsstoff für die Podiumsdiskussion, an der ich teilnehmen werde, und für an deutscher SF interessierte Herausgeber französischer SF-Magazine.

· Wie erwähnt, bin ich auf das diesjährige UTOPIALES-Festival eingeladen, das jährlich in Nantes, der Geburtsstadt von Jules Verne, über die Bühne geht (oben links das ofizielle Festival-Poster von Stephan Martiniere). Fände ich ein wenig mehr Zeit für die Homepage, stünde der Termin auch längst im Kalender, aber bis Mitte nächsten Monats werde ich wohl nicht einmal dazu kommen, einen neuen PANORAMA-Eintrag zu schreiben. Vom 3. bis 8. November werde ich also die Atlantikküste unsicher machen, dort meinen Geburtstag feiern, auf englisch radebrechen und der französischem Küche so lange frönen (müssen!), bis ich nachts von Lachspastete träume.

· Was von mir danach noch übrig ist, darf am 21. November im ALIEN CONTACT-Livechat demontiert werden.

 

11. Oktober 2004


Charterflug klein Vorgestern beim Aufräumen des Arbeitszimmers (Post-Roman-Putzneurose) auf geklammertes, mit Farbklecksen besudeltes Dokument gestoßen +++ amüsiert erstes Machwerk wiedererkannt +++ hingesetzt und zum ersten Mal seit über zwanzig Jahren komplett durchgelesen +++ geschwitzt +++ gelitten +++ gegraust +++ im Boden versunken +++ ...

Vor einigen Jahren erwähnte ich erstmals in einem Interview, meine erste Story "zwei Wochen, nachdem ich als Fahrradfahrer von einem Citroen über den Haufen gefahren wurde", geschrieben zu haben. Ferner bezeichnete ich dieses Machwerk als "literarischen Unfall", was manche Leute glauben ließ, ich hätte darin meine traumatischen Crash-Erinnerungen niedergeschrieben. Pustekuchen. Es ist eine "Horror-Story" über eine Gorgone (genauer gesagt: eine PROFESSOR ZAMORRA-Story), und sie lässt einem wahrlich die (Schlangen)Haare zu Berge stehen. Unglückliche Formulierungen, Sinn- und Logikfehler, grenzenlose Naivität und zahllose Tippfehler bilden einen bunten Reigen. Die Erzählung ist einfach nur schlecht. So schlecht, dass ich heute, 24 Jahre später, eigentlich über sie lachen sollte - wäre es nicht ausgerechnet meine Geschichte, und hätte nicht ich sie verbrochen. So musste ich vorgestern zwar lachen, litt dabei aber physische und psychische Schmerzen. Weil ich aber so ein lustiger Gesell bin (gelogen!) und immer auch gerne andere Menschen an meinen Schmerzen teilhaben lasse, hier ein paar kurze, aber erlesene Ergüsse aus CHARTERFLUG ZUR HÖLLE - und die einzigen, die ich jemals veröffentlichen werde.

Da hätten wir zum Beispiel gleich zu Beginn die heiße Sexszene:
Text 1
Gefolgt von Furcht einflößender, Nerven aufreibender Dramatik:
Text 2
Vom Fliegen hatte ich zu dieser Zeit soviel Ahnung wie ein Lemming. Ein Flugzeug besaß damals mehr Ähnlichkeit mit einer U-Bahn. Es kam angeflogen, man stieg ein, und es flog sofort weiter. Ganz zu schweigen davon, dass Flugzeuge in meiner Vorstellung nur tagsüber fliegen - und vor allem landen - durften. Meine Storyhelden flogen natürlich nur in Drei-Sterne-Maschinen:
Text 3
Zurück auf dem Boden der Tatsachen, trank man komische Getränke, während die Gefahr durchs Haus schlich und für bizarre Todesfälle sorgte:
Text 4
Zu guter Letzt das Böse herself: Die Gorgone beim Versuch, mit Asmodis, dem Fürsten der Finsternis, in Kontakt zu treten:
Text 5
... vermutlich ein kompetenter Seelendoktor. Soviel also - für immer und ewig - zu meinem ersten literarischen Gehversuch.

Apropos Seelendoktor: Seit einer Woche spiele ich mit großer Begeisterung MYST 4 "Revelation" - und kam gestern schließlich in der Zwischenwelt Traum an. Kein Zweifel, in der Liste der Systemanforderungen für dieses Spiel fehlt ein wichtiger Satz auf der Verpackung: Ist Ihr Computer LSD-Kompatibel?

 

5. Oktober 2004


Space Ship One Kaum jemand scheint wahrzunehmen, dass gestern Abend womöglich ein neues Kapitel in der bemannten Raumfahrt - oder besser gesagt: des kommerziellen Weltraumtourismus - aufgeschlagen wurde: Der X-Prize wurde vergeben. Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen erreichte das von Burt Rutan konstruierte Space Ship One mit dem erforderlichen Ballast eine Höhe von mehr als 100 Kilometern.

Um den X-Prize, den Weltraumtourismus, Weltraumschrott und einige unangenehme Begleiterscheinungen des Ganzen geht es auch in meiner Story DIE AUSGESETZTEN, erschienen in der von Andreas Eschbach herausgegebenen Anthologie EINE TRILLION EURO. Auf der Homepage des Deutschlandfunks schreibt der Schriftsteller und freie Journalist Florian Felix Weyh in seiner Büchermarkt-Rezension dazu einleitend: "Science-Fiction lebt von der guten Idee bei knapper Ausführung, sein ideales Format ist die Kurzgeschichte. (...) Doch längst hat sich Science-Fiction seines Wortsinns begeben ..."

DER Science Fiction? DAS Sciene Fiction? Ich staune. Ist die umstrittene Reform der Rechtschreibreform bereits erfolgt? Habe ich sie verpasst?

Weiter ist in der Kritik zu lesen: "Nur die Autoren zweier Sprachräume verteidigen in diesem Buch das europäische Erbe gesellschaftspolitisch anregender Spekulation, die sich nicht ins Märchenhafte flüchtet, sondern maximal zwei Generationen vorausgeht, sich mithin die Flanke potentieller Widerlegbarkeit leistet: die Spanier und die Deutschen. Ein Deutscher, Michael Marrak, glaubt sich sogar von der Wirklichkeit eingeholt, denn kurz nach Fertigstellung seiner Erzählung verglühte die Raumfähre Columbia, was dem Autor wie ein unziemlicher Realitätseinbruch vorkam, weswegen er am Ende seines Textes akribisch dokumentieren muss, dass er auf jeden Fall schneller gedacht hat als die NASA scheiterte. Ein symptomatischer Fall, denn die Geschichte von Oneway-Raumflügen als Möglichkeit des Luxussuizids wird - wenn überhaupt - nur oberflächlich vom Columbia-Unglück berührt, nicht aber in ihrem erzählerischen Kern. Literatur schafft eigene Wirklichkeiten, das ist ja ihre Stärke, und doch scheint es diese Angst vorm Eingeholtwerden zu sein, die die meisten Science-Fiction-Autoren in sehr ferne und sehr unwahrscheinliche Zukünfte enteilen lässt."

Yap, da hat Herr Weyh zweifellos recht. Schade nur, dass ihm nicht auffiel, dass es in besagter "Dokumentation" primär gar nicht um die verglühte Columbia geht, sondern um die chronologischer Entwicklung der letztlich daraus resultierenden NASA-Pläne, so genannte Schäfersonden zu entwickeln, die das Problem mit dem Weltraumschrott lösen sollen. Denn derartige Sonden sind es, die dem Protagonisten meiner Story zusetzen. Aber der Science Fiction ist nun mal ein doppelbödiger Literatur ...

Wie auch immer, gestern Nachmittag absolvierte das Space Ship One erfolgreich seinen zweiten X-Prize-Wertungsflug, womit wir zumindest am Beginn von DIE AUSGESETZTEN angekommen wären. Die Gewinner sprachen von einer neuen Ära der Luft- und Raumfahrt, denn zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen gelang es einem Unternehmen, ein ausschließlich privat finanziertes Raumschiff (Zitat): "ins All fliegen zu lassen". Nun, "ins All" klingt angesichts einer Höhe von gerade mal 112 Kilometern recht euphemistisch. Und "Raumschiff" ... na ja ...

DIE AUSGESETZTEN spielt im Jahr 2029, 25 Jahre nach dem ersten erfolgreichen privaten Weltraumflug. Um weiterhin "schneller gedacht zu haben als andere scheitern", müsste jedoch - was ich nicht hoffen will - in Sachen Weltraumtourismus während der ersten Passagierflüge, spätestens aber bis Ende 2007 noch etwas gewaltig schief gehen. An Bord von Space Ship One befanden sich beim zweiten Wertungsflug neben dem Piloten 180 Kilogramm Ballast als Ersatz für zwei Fluggäste. Ein erfolgreicher Testflug mit Passagieren steht noch aus. Dennoch soll nun die kommerzielle Nutzung beginnen. Der britische Milliardär und Fluglinien-Besitzer Richard Branson hatte vor kurzem angekündigt, ab 2007 regelmäßig Weltraumtouristen ins All befördern zu wollen. Ich bleibe gespannt, denn bereits vor dem ersten Wertungsflug von Space Ship One hatte es Zweifel an dessen Sicherheit gegeben. Beim ersten gültigen Flug vollführte das Schiff laut Presseberichten 29 unplanmäßige Drehungen um die eigene Achse - also etliche mehr als beim ersten Testflug im Sommer. Wieviele Pirouetten es gestern waren, weiß ich noch nicht. Tora, Tora, Tora ...

 

27. September 2004


Morphogenesis Cover So, hier also die ersten vollendeten Tatsachen: Das Cover und der tatsächliche Titel des kommenden Romans:

MORPHOGENESIS

Ich bin sicher, viele Leser werden sich an den Arbeitstitel ABYDOS inzwischen so gewöhnt haben, dass ihnen die Umstellung schwer fallen wird. Alles gewiss nur eine Frage der Zeit. Seit über zwei Jahren trägt der Roman für mich bereits den Namen MORPHOGENESIS, und für diesen Titel wurde letztes Jahr auch der Vertrag unterzeichnet. Im Laufe der Zeit fiel es mir daher zunehmend schwerer, das Buch in Gesprächen, Interviews oder auch hier im PANORAMA weiterhin ABYDOS zu nennen. Und ich gebe zu: Ganz geschafft ich es nicht.

Titelphilosophie ist eine dieser Sachen, für die man sich als Autor gegenüber dem Lektor und den Verlagsvertretern bei einem Publikumsverlag rechtfertigen muss. Andreas Eschbach könnte bezüglich seiner Jugendbücher Arien davon singen. Bei MORPHOGENESIS hatte ich daher bis zum Schluss meine Zweifel, ob ein solcher Titel tatsächlich akzeptiert werden würde.

Hier eine gekürzte Fassung der Titelphilosophie, die ich dem Verlag geschickt hatte:

Die Morphogenese bezeichnet die Entstehung von Form (abgeleitet von den griechischen Wörtern morphé = Form, und génesis = Erzeugung, Entstehung). Sie beschreibt in der Biologie die Lehre von Ursprung und Entwicklung von Organen und Gewebe und ist eines der großen ungelösten Probleme der Biologie. In der Praxis stellen sich Fragen wie: Warum entwickeln sich aus Zellen mit dem gleichen genetischen Code unterschiedliche Körperteile? Oder: Wie entwickeln sich Pflanzen aus den Samen zur charakteristischen Form ihrer Art? Des weiteren steht die Morphogenese im Zusammenhang mit künstlichem Leben für: 1) Die Verknüpfung zwischen Morphologie und den neuronalen Kontrollstrukturen bei der Evolution von künstlichen Kreaturen. 2) Die Interaktion von genetischen Faktoren und der Umwelt in der Evolution. 3) Die Anpassung der künstlichen Kreaturen an die Bedürfnisse der simulierten Umgebung

Vor allem der erste und dritte Aspekt sind für den Roman von großer Bedeutung. Was bei dieser Kurzfassung natürlich fehlt, sind alle direkten Bezüge und Verknüpfungen zur Romanhandlung. Es dürfte jedoch ersichtlich werden, dass es sich tatsächlich um einen SF-Roman handelt ...

Noch ein paar Worte zum Titelbild. Die knappe Mehrheit der Leser, die bei der Coverumfrage mitgemacht haben, gefiel Cover Nr. 4 am besten, ein Motiv aus dem Subterranean-Zyklus von Michael Whelan. Dieses Motiv war tatsächlich einige Wochen lang unser Favorit. Mein Verlagslektor versicherte, das Motiv wäre frei, die Bildagentur ebenfalls. Doch je länger ich diverse Schriftzüge auf dem Bild ausprobierte, desto unzufriedener war ich. Das Motiv sagte - aus der Ferne betrachtet - einfach nicht genug aus. Es war zu leer. Man sah "darüber hinweg". Das Cover verschwamm zu einer blaugraue Masse. Den endgültigen Todesstoß gaben ihm einige Leser, die ihren Mails netterweise gleich die entsprechenden Scans angehängt hatten: Das Motiv ziert die Ende 2003 im Heyne-Verlag erschienene Ausgabe von Arthur C. Clarkes DIE LETZTE GENERATION.

Bei Motiv Nr. 3, The Strength of Stones, muss ich gestehen, dass ich das Originalmotiv von John Harris für eine eventuelle Veröffentlichung als MORPHOGENESIS-Titelbild farblich verändert und beschnitten habe, um es der Story anzupassen. Allerdings hatte ich bereits vermutet, was mir im Laufe der Coverumfrage bestätigt wurde: Das Motiv ziert sowohl die Originalausgabe als auch die deutsche Übersetzung von Greg Bears Roman DIE MACHT DER STEINE, erschienen 1995 ebenfalls bei Heyne. Zwar sind die Abdruckrechte für dieses Bild inzwischen tatsächlich wieder frei, nichtsdestotrotz ist es schon einmal auf einem SF-Roman erschienen und somit aus dem Rennen. Zudem erhielt es die wenigsten Stimmen.

Motiv Nr. 2, Girl on the Wall, ebenfalls von Harris, erhielt zwar ebenso viel Zuspruch wie das Motiv Nr. 1 und ist in Deutschland tatsächlich noch nie als Cover abgedruckt worden, war dem Verlag aber schlichtweg zu dunkel und in der Bildaufteilung zu unglücklich angelegt. Es wäre schwer gewesen, einen Schriftzug optimal darauf zu platzieren. So ist es nun also, wie ich gehofft hatte, Motiv Nr. 1 geworden: Brother Assassin von Michael Whelan. Was ausgerechnet dieses Motiv (ein Roboter mit Uhr) mit dem Roman zu tun hat? Dazu demnächst mehr. Nachfolgend zur Ergänzung noch die "vergebenen" Cover.

Vergebene Cover

 

22. September 2004


Drei recht turbulente Wochen sind seit dem letzten Eintrag vergangen, doch obwohl viel passiert ist, verhinderten die Umstände es, das PANORAMA früher zu aktualisieren. In den kommenden Tagen werde ich dies nachholen. Zuerst möchte ich mich jedoch für die rege Beteiligung an der Coverumfrage bedanken, besonders für die teils sehr umfangreichen E-Mails und die wertvollen Tipps und Hinweise, die ich von vielen Lesern erhalten habe. Mittlerweile steht eine Entscheidung, welches Cover ABYDOS zieren wird, so gut wie fest. Gleiches gilt auch für meinen Wunschromantitel. Aber dazu weiter unten im Text mehr.

Es gibt natürlich auch die drei Gewinner der Buchverlosung. Je ein signiertes und mit einer persönlichen Widmung versehenes Exemplar von ABYDOS geht bei Erscheinen des Buches an:

· Tobias Bachmann
· Kurt Kuhne
· Ivo Schwarz


Glücksfee Meike zog die Zettel mit den Namen vor wenigen Minuten eigenhändig und mit verbundenen Augen und Ohren aus den Tiefen meiner berüchtigten alten St.-Ives-Wollmütze (ja, die auf der Startseite). Herzlichen Glückwunsch den Gewinnern, die ich auch noch einmal direkt benachrichtigen werde - und bitte noch etwas Geduld, denn der Roman erscheint laut Verlagsprogramm erst im Juli 2005.

Noch einmal vielen Dank für alle Urteile und Ratschläge - und den ein oder anderen nicht ganz ernst gemeinten Tipp ... (also, singen kann ich leider wirklich nicht). Auf viele Fragen und Meinungen werde ich in den kommenden Tagen hier im PANORAMA ausführlich eingehen. Und wer heute kein Losglück hatte, den kann ich auf das kommende Frühjahr vertrösten. Kurz vor Erscheinen des Romans werde ich noch einmal drei Exemplare verlosen.

Seit Montag laufen die Vertretertagungen, in denen über Titel, Cover, Auflagenzahlen und Werbemittel der kommenden Lübbe-Titel entschieden wird. Bis einschließlich Freitag geht der Spaß, und heute, am Mittwoch, ist die SF dran. Ich selbst kenne das fertige ABYDOS-Titelbild seit zwei Wochen, und die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Cover und der tatsächliche Romantitel heute abgesegnet werden, liegt bei 99%. Da der Teufel aber bekanntlich nicht nur im Detail, sondern auch im Buch steckt, warte ich mit der offiziellen Präsentation noch bis zum 27. September.

Für alle, die vergangenes Wochenende meine Lesung auf dem Elstercon besucht hatten, ist beides inzwischen kein Geheimnis mehr: Ich hatte einen großen Ausdruck des Covers dabei. Dass mir die vergangenen zwei Monate allerdings noch ziemlich in den Knochen steckten, bewies wahrscheinlich mein recht konfuser Auftritt. Besser gesagt: Meine etwas chaotischen Bemühungen, vor und nach der Lesung ein wenig über ABYDOS und die Entstehungsgeschichte des Romans zu erzählen. Die Bezeichnung braindead trifft diese Aktion wohl am ehesten. Man darf mir glauben, dass ich mich im Anschluss daran am meisten darüber ärgerte. Zu allem Überfluss hatte ich auch noch eine mehr oder minder schlaflose Nacht hinter mir.

Dennoch an dieser Stelle ein dickes Lob und ein großes Dankeschön an die Organisatoren, die wieder einen fantastischen Con auf die Beine gestellt hatten. Abgesehen davon, dass ich zwei Tage lang todmüde war, hat es riesig Spaß gemacht, dabei zu sein. Und ich hoffe, man sieht sich in zwei Jahren an gleicher Stelle wieder.

 

30. August 2004


Hier nun die vier Titelbildfavoriten für ABYDOS. Es sind recht unterschiedliche Motive, doch alle thematisieren in gewisser Weise einen Aspekt des Romans. Im Laufe der letzten zehn Monate habe ich in Interviews und vor allem hier in diesem Journal viele Inhalts- und Themen-Brotkrümel verteilt, die erahnen ließen, worum es sich bei ABYDOS handelt. Mit diesem Hintergrundwissen im Kopf ergibt sich nun die Qual der Wahl und meine Frage an die PANORAMA-Leser: Welches Titelbildmotiv eignet sich für den Roman am besten? Welchen Stoff vermutet der Leser hinter den einzelnen Motiven? Welches Bild ist der "Hingucker"; das Cover, das neugierig macht? Bitte schreiben Sie mir!

Damit nicht nur mein Agent und mein Verlagslektor ihre Stimme abgeben, verlose ich unter allen (konstruktiven) E-Mails, die mich bis zum 20. September erreichen, drei mit persönlichen Widmungen signierte Exemplare des Romans. Bitte dazu das Stichwort "Abydos Cover" im Betreff angeben. Alle Einsendungen werden vertraulich behandelt, die Gewinner per E-Mail benachrichtigt und am 22. September hier im PANORAMA bekannt gegeben. Zuschriften an: mail@marrak.de Und noch eine kleine Bitte im Sinne der Fairness: Nicht zehn E-Mails über zehn verschiedene Adressen schicken, um die Gewinnchancen zu erhöhen. Thanx! Dies sind die Motive:

Abydos Cover
Einige Leser werden sich fragen, weshalb ich heute schon Bücher verlose, die erst im Frühjahr 2005 erscheinen werden. Andere fragen sich vielleicht, wieso ich sie überhaupt nach ihrer Covermeinung frage, wenn sie doch eh keinen Einfluss auf das endgültige Titelbild nehmen können. Ich könnte die Bücher natürlich auch unter den Verfassern der originellsten Zuschriften verlosen, weshalb ich in Zukunft besser nicht mehr schreiben, sondern in einem Gospelchor singen sollte. Oder wieso Wolfgang Hohlbein seine Cover in Zukunft selbst ... Nein, lassen wir das.

Der eigentliche Grund ist: Mich würde - neben der Motivwahl - vor allem interessieren, ob eines dieser Bilder bereits auf dem deutschsprachigen Markt als Cover verwendet wurde; eine Frage, die mir bisher weder Lübbe noch mein Agent beantworten konnten. Da das Copyright bei Titelbildern in der Regel nach 6-10 Jahren ausläuft, werden die Motive danach automatisch wieder für den deutschen Markt freigegeben. Bildagenturen nutzen die rechnergestützte Copyrightverwaltung nebst elektronischer Datenbank jedoch frühestens seit Mitte der 1990er Jahre. Viele Covermotive, die bis 1990 abgedruckt wurden, werden in diesen Datenbanken daher als "noch nie in Deutschland verkauft (bzw. abgedruckt)" geführt. Das liegt zu einen daran, dass die Rechte an der Copyrightvergabe an neue Bildagenturen fallen - oder schlicht und einfach an mangelndem Fachwissen, denn nicht jeder Verlagslektor oder Angestellte einer Bildagentur ist nebenberuflich SF-Antiquar. Dies vielleicht zur Erklärung, weshalb auf dem deutschen Buchmarkt immer wieder ein verhasstes Phänomen auftritt, das in SF-Foren als "Titelbildkannibalismus" bezeichnet wird.

Es gilt dabei zu beachten, dass jedes europäische Land vom Künstler (oder seiner Agentur) eigene Copyrights zugesprochen bekommt. Das Titelbild eines bekannten Malers wie Michael Whelan, Jim Burns oder Tim White könnte somit theoretisch im selben Jahr in zahllosen Ländern auf ebenso vielen unterschiedlichen SF-Romanen auftauchen, und alles ginge mit rechten Dingen zu.

Langer Rede kurzer Sinn: Falls jemand eines der vier oben abgebildeten Motive schon mal auf einem deutschsprachigen (!) Roman gesehen hat, bitte ich darum, mir zu schreiben, wann und bei welchem Verlag das besagte Buch erschienen ist - und für welchen Autor/Roman das Cover verwendet wurde. Auch die Infonauten dieser Mails werden unter den obigen Bedingungen in die Verlosung mit aufgenommen. Da die Vertreterversammlung, in der über das endgültige Titelbild entschieden wird, erst Ende September stattfindet, kann ich bis dahin noch Einfluss auf die Coverauswahl nehmen. Es geht also nicht nur um zwecklose Meinungen und Analysen zum passenden Titelbild, sondern vor allem darum, ungeliebte Titelbildvettern zu vermeiden.

Man darf mir aber trotzdem Vorschlagen, warum ich in Zukunft nicht mehr schreiben, sondern vielleicht lieber Lamas züchten, Bäume fällen oder Rehe schubsen sollte. Vielleicht verlose ich ja noch ein viertes Buch für den originellsten Vorschlag nebst stichhaltigstem Argument ... ;-)) Jedenfalls freue ich mich auf eine rege Beteiligung und wünsche viel Spaß beim Suchen, Erinnern, Anraten und Abraten - und allen, die mitmachen, natürlich viel Glück!

 

25. August 2004


Burnout ABYDOS ist redigiert und seit heute morgen, 5:12 Uhr, in den Händen des Verlags. Ich dagegen befinde mich in den Händen des Wahnsinns - oder zumindest kurz davor. Nachdem ich über ein Jahr lang an einem sehr "infernalischen" Roman saß und in den letzten Wochen alles - alles! - zu kurz kam, empfinde ich keine Freude mehr über das vollbrachte Werk. Burnout. So geht es von Buch zu Buch. Die geistige und körperliche Erschöpfung danach ist einfach zu groß. Erst in ein paar Tagen Distanz wird sich die Zufriedenheit und die innere Ruhe wieder einstellen. Zwischenrein schob ich letzten Monat zudem noch RELICON, eine recht umfangreiche Story für die von Helmuth W. Mommers für November 2004 geplante Anthologie VISIONEN. Vor lauter Phantastik habe ich daher sogar vergessen, in der realen Welt meine Einkommenssteuererklärung für 2003 abzugeben und bekam gestern einen bösen Brief vom Finanzamt ...

Wer einen PC und eine Maus mit Mausrad besitzt, wird die Autoscroll-Funktion kennen. Wählt man in Word einen Seiten-Zoom von 10%, und das auf einem 21-Zoll-Monitor, hat man verdammt viele winzige Seiten auf dem Screen. Es dauert trotzdem ziemlich lange, bis 720 ABYDOS-Textseiten im flotten Autoscroll am Betrachter vorübergezogen sind. Während ich heute morgen, nachdem ich den Roman an Lübbe geschickt hatte, die übermittelte Datei auf diese Art noch mal auf grobe Übertragungsfehler überprüfte, gingen mir zwangsläufig die Gedanken durch den Kopf, die mich nach einem vollendeten Roman immer wieder überkommen: Wieso diese ganze Schinderei? Warum hocke ich ein Jahr im stillen Kämmerlein und tippe mir für einen derartigen Zeilenwust die Finger wund? Verschwende ich hier nicht mein Leben? Und: Wieso ist das überhaupt soviel Text? Solche Gedanken entstehen, wenn minutenlang Seitenreihe für Seitenreihe auf dem Bildschirm auftaucht - endlos, wie es scheinen mag.

Mitte letzter Woche lag - mit fünfmonatiger Verspätung - auch endlich das MEPHISTO im Briefkasten. Wer also wissen will, was es mit ABYDOS tatsächlich auf sich hat, sollte bei einem gut sortierten Zeitschriftenhändler vorbeischauen - oder im September nach Leipzig zum Elstercon kommen. Das diesjährige Con-Thema lautet "Stadt, wohin?" Ursprünglich wollte ich 2004 keinen deutschen Con besuchen, doch nachdem irgendjemand spitz gekriegt hat, dass es in ABYDOS um eine Stadt mit einem Durchmesser von über 5000 Kilometer geht, lud mich Dirk Berger so freundlich und unwiderstehlich für eine Lesung und eine Podiumsdiskussion ein, dass ich einfach nicht nein sagen konnte.

Nun hoffe ich, dass ich bis Mitte September soviel Abstand zu ABYDOS gewinnen werde, dass ich mich objektiv zum Roman äußern kann. Passend dazu dröhnt hinter mir Wake up Call von der neuen Prodigy-CD aus den Boxen. Nachdem zwischen IMAGON und ABYDOS im kommenden Frühjahr fast drei Jahre Pause liegen werden, empfinde ich den Titel der CD beinahe schon als Programm: Always outnumbered, never outgunned. Leider klappt es nur bedingt, bis dahin auszuspannen und die Seele baumeln zu lassen. Ein Interview für ein Autorenportrait in der SPACE VIEW muss bis zum 3. August fertig sein, und dann wäre da noch (Asche über mein Haupt) die Einkommenssteuererklärung ...

 

10. August 2004


Ausgerechnet das Motiv, welches zu 95% das Cover von ABYDOS zieren wird, habe ich nur als relativ kleines, unscharfes Jpeg vorliegen. Grund: Es ist das einzige Bild von Michael Whelan (soviel kann ja schon mal verraten werden), das die Agentur Schlück noch nicht hochaufgelöst in ihr Bildarchiv eingescannt hat. Aber mir wurde versprochen, es umgehend zu schicken, sobald die dafür zuständige Mitarbeiterin aus dem Urlaub zurück käme und dies nachgeholt hätte ...

Apropos Urlaub: Man bat mich mehrfach, die geplante Titelbildumfrage nebst Buchverlosung nicht vor Ende des Monats zu starten, da die meisten Leute zur Zeit verreist seien (abgesehen von hitzegeschädigten Autoren, die gerade Romane revidieren müssen ... ;-)) Da ich auch das wichtigste Bild noch nicht habe, verschiebe ich alles auf den 30. August.

 

5. August 2004


ABYDOS ist fertig! Länge über Puffer: 712 Manuskriptseiten (und damit 13 Seiten mehr, als Lübbe mir eigentlich als Obergrenze gesetzt hat ...). Ab Montag werde ich die zweite Hälfte redigieren, und am 16. August geht alles an den Verlag - und an meinen seit einem Jahr darbenden Agenten. Gegenüber früheren Romanen kennt bisher niemand eine einzige Zeile aus dem Text. Selbst der tatsächliche Romantitel ist nur vier oder fünf Personen bekannt.

Seit mittlerweile drei Wochen suche ich gemeinsam mit dem Cheflektor der SF-Reihe bei Lübbe ein passendes Buchcover für ABYDOS, doch sowohl meine Favoriten als auch die des Verlages haben sich bisher als Seifenblasen erwiesen. Nicht, weil sie thematisch ungeeignet gewesen wären (es waren sehr schöne Vorschläge dabei), sondern weil wir Bild für Bild feststellen mussten, dass die deutschen Rechte nicht mehr frei waren. Denn: Alle unsere Wunschcover befinden sich auf Büchern von (tata!) Wolfgang Hohlbein.

Amazon.de gibt 435 Buchtitel-Treffer für den Suchbegriff W. Hohlbein an, und über die Hälfte dieser Bücher besitzen ein eigenes Cover. Dieser Mann saugt sämtliche deutschen Bildarchive auf, könnte man fast meinen. Spreche ich mit Lübbe über einen neuen Covervorschlag, heißt es inzwischen scherzhaft: "Ist das Bild noch frei, oder hat es Hohlbein?"

Ich plädiere dafür, dass Wolfgang seine Cover ab jetzt selbst malt ...

Nun gut, da die Thomas Schlück GmbH nicht nur eine Agentur für Literatur, sondern auch für Illustration ist, war ich gestern in Garbsen und habe mich durch 1500 Illustrationen gewühlt, die thematisch als ABYDOS-Cover in Frage kommen könnten. Mit nach Hause genommen habe ich letzten Endes eine CD mit gerade mal sechs Illustrationen (nein, die restlichen 1494 hat nicht Wolfgang Hohlbein ...). Sobald von diesen sechs Bildern die drei Favoriten feststehen, werde ich hier - unabhängig von der endgültigen Coverentscheidung, die im September auf einer Vertreterversammlung bei Lübbe fallen wird - eine kleine Titelbild-Umfrage starten. Vermutlich werde ich diese zusätzlich mit einer kleinen Verlosung verbinden, bei der es drei signierte ABYDOS-Exemplare zu gewinnen gibt. Aber dazu mehr Anfang nächster Woche.

Ach ja, übrigens: MEPHISTO ist in Druck und soll tatsächlich Mitte nächster Woche erscheinen ...

 

20. Juli 2004


Wallpaper 5 Auf seiner Homepage schreibt Andreas Eschbach in seiner Rubrik Übers Schreiben in Bezug auf die Qualität eines Textes: "Alle eine Million getippter Anschläge verschiebt sich das Zünglein an der Waage ein wenig weiter zu eigenen Gunsten."

Seit Anfang vergangener Woche bewegt sich ABYDOS jenseits dieser Grenze. Besondere Vorkommnisse beim Überqueren: Migräne. Besondere Vorkommnisse danach: Mit dem Auto mitten auf einer der frequentiertesten Kreuzungen Hildesheims stehen geblieben, weil die Batterie leer war. Peinlich.

Heute morgen habe ich (nach durchgearbeiteter Nacht) den ersten Teil von ABYDOS an den Verlag geschickt. 355 Manuskriptseiten, was ziemlich exakt der Hälfte des Romans entspricht. Erster Teil?, werden sich vielleicht manche fragen. Wird es nicht ein Buch? Doch, wird es. Aber da ABYDOS ursprünglich als Zweiteiler geplant war, lässt sich der Text hervorragend in der Mitte splitten, was mir angenehm entgegenkommt. Also erhält der Lektor erst mal Teil 1, während Teil 2 (nach einer Erholungspause für das malträtierte Handgelenk) Anfang August folgt.

Nachdem ich in den vergangenen Tagen erstmals die ersten 350 Seiten des Romans am Stück gelesen und revidiert habe, sehe ich m. E. für den Lektor nur zwei Möglichkeiten: Entweder ABYDOS gefällt ihm, oder er springt nackt aus dem Fenster. Ich tippe auf letzteres …

Vor kurzem fragte mich ein befreundeter Autor, der hier im PANORAMA gelesen hatte, dass für den Roman einige Begriffe und Sätze ins Assyrische übersetzt wurden, "was man denn dazu bräuchte, eine Zeitmaschine?"

Nun, diese "Zeitmaschine" nennt sich Dr. Marco Frenschkowski. Er ist evangelischer Theologe (ich nenne ihn seit Jahren scherzhaft "meinen Exorzisten"), und eine nicht ganz unumstrittene Kapazität auf dem Bereich der Phantastischen Literatur. Lebendes Lexikon wäre vielleicht eine passendere Titulierung. Marco ist der Mensch, der in den vergangenen Wochen für mich Fachbücher gewälzt und einige Dialog-Parts des Romans in Alt-Latein, Bibelhebräisch und Akkadisch/Assyrisch (!) übertragen hat. Vergangenes Wochenende traf ich ihn auf einer Gartenparty wieder, zu der Malte S. Sembten geladen hatte. Da Marco, wie ich zu meiner Überraschung erfuhr, auch des Jiddischen mächtig ist, und mein Protagonist im ersten Teil von ABYDOS einem heruntergekommenen Rabbiner begegnet, nutzte ich natürlich die Gunst der Stunde … Und ich betone nochmals: Mein Lektor springt nackt aus dem Fenster!

 

6. Juli 2004


Wallpaper 5 Anfang des Monats erschien die Ausgabe 15 des Magazins phantastisch!, dieses Mal wieder mit einem Vierfarbcover aus meiner Feder / Maus / Airbrush / Pinsel etc. Das gleiche Motiv gibt es übrigens (leicht modifiziert) auch als Desktop-Wallpaper des Monats Juli bei www.SF-Fan.de

Bezogen werden kann phantastisch! hier.

Gestern trudelten zudem zwei Belegexemplare der LORD GAMMA-Zweitauflage bei mir ein. Es kann sich also nur noch um Tage handeln, bis das Buch wieder regulär erhältlich sein wird. Insgeheim hatte ich gehofft, dass die Layouter den Roman an das neue, etwas größere Taschenbuchformat anpassen würden (wodurch er neben IMAGON nicht so mickrig aussehen würde) - und war beim Auspacken ein wenig enttäuscht darüber, dass es immer noch "klein" war ...

Verschiedene Leute, mit denen ich seit Mitte letzten Monats telefoniert oder E-Mails ausgetauscht hatte, zeigten sich angesichts meiner Erwähnung, die erste Auflage von LORD GAMMA sei fünfstellig gewesen, skeptisch bis ungläubig. Doch nicht in Deutschland, so der Grundtenor, schon gar nicht bei einem SF-Buch, und das (Mitte 2002) zudem von einem außerhalb der Kleinverlagsszene doch relativ unbekannten Autor.

Ich habe daraufhin noch einmal bei Stefan Bauer, meinem Lektor bei Lübbe, nachgehakt, ob ich denn eventuell damals, bei Erscheinen des Buches, etwas falsch verstanden hätte. Zu meiner Erleichterung nicht: Die Erstauflage betrug 10.000 Exemplare (und etwas Überschuss).

 

17. Juni 2004


Erst ein zufälliger Blick auf die Verkaufsseite von Amazon.de machte mich stutzig: Mein Roman LORD GAMMA, so ist dort momentan zu lesen, sei noch nicht erschienen, und man solle doch vorbestellen, usw.… Ein Telefonat mit Lübbe bestätigte schließlich, was ich ehrlich gesagt nicht mehr für möglich gehalten hätte: Die erste (fünfstellige!) Auflage ist vergriffen, die zweite Auflage inzwischen nachgedruckt und wird dieser Tage ausgeliefert. Für einen deutschen SF-Roman ist das beeindruckend (zumindest ich bin beeindruckt); und das nicht zuletzt deshalb, weil man mir vor meinem Wechsel zu Lübbe unermüdlich eingeredet hat, nach 3000 bis 4000 verkauften Büchern sei Schluss mit Lustig und deutsche SF ein Fall für den "Krabbeltisch".

Heute kamen endlich die letzten, für ABYDOS dringend benötigten Übersetzungen ins Assyrische und Akkadische, zudem auch noch einige Sätze in Hebräisch. Nun kann ich auch die letzten Romanlücken schließen. Wenigstens auf den ersten 400 Seiten. Vorgesten bin ich mit ABYDOS über die 600-Seiten-Marke galoppiert. Da ich nicht in Manuskriptseiten schreibe, sondern in einem übersichtlich großen 14p-Times-Roman-Layout, errechne ich die Manuskriptseiten höchstens ein- oder zweimal im Monat, um mir einen Überblick zu verschaffen. Gestern war es wieder soweit. Als schließlich die Seite 608 auf dem Monitor flackerte, bin ich erst mal zurückgezuckt … ein wenig erschrocken ehrlich gesagt, denn 600 Seiten sind schon ein recht ordentliches Paket.

Wie auch immer, ABYDOS wird mein bisher umfangreichster Roman werden - und daran wird sich vermutlich auch nicht viel ändern, nachdem ich den Text revidiert habe und er durchs Lektorat gegangen ist. Denn es fehlen noch ca. 40 Manuskriptseiten, bis ich das wohl angenehmste Four-Letter-Word unter den Text setzen kann: ENDE.

 

9. Juni 2004


Panic Button Da ich bis über alle sieben Ohren im ABYDOS-Showdown stecke, habe ich diesen Monat vor allem eines nicht: Zeit für andere Dinge. Daher wird es für ein paar Wochen auch nur sehr sporadisch Einträge in dieses Journal geben. Und ehrlich gesagt: Ich weiß gar nicht so recht, über was ich schreiben soll, denn ich kriege momentan eh nicht viel von der Außenwelt mit ...

So habe ich gestern auch nur durch Zufall erfahren, dass die französische Ausgabe von LORD GAMMA für einen französischen SF-Preis nominiert war, der sich Prix du cafard cosmique nennt (was Babelfisch mit "Preis der kosmischen Schabe" übersetzt). Das Logo bildet ein goldener Hirschkäfer. Es ist also definitiv irgendein Krabbeltier. Insgesamt zehn SF-Romane waren nominiert, darunter auch Werke von China Mieville, Stephen Baxter, Greg Bear und Peter F. Hamilton. Gewonnen hat schließlich John Varley für die französische Ausgabe seines Romans THE GOLDEN GLOBE (Le système Valentine).

Vor kurzem erhielt ich die Information, dass die Anthologie ALTE GÖTTER STERBEN NICHT vom Verlag offenbar aus dem Programm genommen wurde und seither nur noch Restbestände erhältlich sind. Zumindest bei den meisten Online-Buchhändlern ist das Buch, in dem meine Erzählung NUMINOS enthalten ist, noch zu finden. Falls es tatsächlich von Verlagsseite aus gestrichen wurde, wäre das sehr schade, denn es handelt sich um eine ausgesprochen gelungene Anthologie.

Und noch ein Opfer (mangelnder Zeit): Das Juni-Wallpaper auf SF-Fan.de. Zumindest diesen Monat wird es kein neues Motiv von mir geben.

 

1. Juni 2004


Tobias Schäfer interviewte mich vor einigen Tagen für das Perry Rhodan Online-Magazin TERRACOM. Natürlich ging es ihm dabei vorwiegend um den aktuellen, im Endstadium seiner Entstehung befindlichen Roman ABYDOS, doch auch allgemeine Hintergrundinformationen und das eine oder andere Statement kam im Verlauf des Gesprächs zustande. Seit heute ist das Interview online und liegt in der neuesten Ausgabe der TERRACOM als PDF-Datei auf der TERRACOM-Homepage zum Abruf bereit.

Wichtig: Zum Lesen des TERRACOM-Magazins ist die Software Acrobat Reader ™ erforderlich, die man sich unter www.adobe.de kostenlos herunterladen kann.

Das TERRACOM selbst liegt in zwei Ausgaben vor: Als high-res PDF-Ausgabe im dreispaltigen Layout und mit zahlreichen Bildern (ca. 5 MB). Oder als low-res PDF-Ausgabe, einer reinen Textdatei im einspaltigen Layout. Dafür ist die Dateigröße mit knapp 350 KB sehr download-freundlich. Viel Spaß beim Lesen.

Da ich nach wie vor die Hoffnung nicht aufgegeben habe, dass auch das lange überfällige MEPHISTO mit dem von Boris Koch geführten Mammutinterview noch erscheinen wird, habe ich mich in der TERRACOM zurückgehalten, was das Mysterium von ABYDOS betrifft. Ich betrachte die Informationen, die ich Boris für das MEPHISTO gab, noch immer als Exclusiv-Material (auch wenn das sensationeller klingt, als es in Wirklichkeit ist). Dennoch: Meine Geduld neigt sich langsam dem Ende zu. Und in drei oder vier Monaten erscheint bereits das Lübbe-Verlagsprogramm für Frühjahr/Sommer 2005 ...

Ich bin sicher: Ist das MEPHISTO erst einmal erschienen, werden viele, die das PANORAMA seit September 2003 regelmäßig lesen und meine spärlichen, zweideutigen ABYDOS-Infos kennen und eins und eins zusammenzählen können, sagen: Ach sooo, klar, dachte ich's mir doch. Aha, der ...

 

25. Mai 2004
Panoramabild des Epinal-Congebäudes


Okay, okay, nachdem ich inzwischen "von höchster Stelle" zu einem Imaginales-Conbericht gedrängt werde, hier ein paar Zeilen über das SF-Festival in Epinal (für den Herrn E. und den Herrn T, damit sie wissen, was im nächsten Jahr auf sie zukommt , gell?... ;-)).

Ohne Witz: Das oben abgebildete, quietschbunte, barocke Varieté-Zelt mit den reichlich unpassenden Plastikstühlen mittendrin war das Con-Gebäude. Besser gesagt: Eines von zwei Zelten, die im Kurpark direkt am Ufer der Mosel die Besucher anlocken sollten. Das zweite Gebäude war ein geräumiges Bücherzelt, Bulle des Livres genannt, und wer einmal die Mainzer Minipressen-Messe besucht hat, besitzt einen guten Eindruck davon, wie es im Inneren aussah.

Drei Dinge aus Epinal sind mir besonders in Erinnerung geblieben:

1) Es war eindeutig zu warm! Unvermittelter Frühlingsausbruch, die Temperaturen kletterten innerhalb von zwei Tagen von 9 auf 25 Grad. Resultat: Migräne. Nicht allein deswegen fand ich mich in bester Gesellschaft mit dem französischen Schriftsteller Ayerdhal. Angeregt diskutierten wir beim gemeinsamen Essen über unser Lampenfieber bei direkter Konfrontation mit dem Publikum, stellten fest, dass wir die selben "Mittelchen" gegen unsere Psycho-Zipperlein benutzen und schlossen sogleich Blutsbrüderschaft. Na ja, so etwas Ähnliches wenigstens …

2) Viele der anwesenden Schriftsteller nutzen die meist recht ereignislosen Signierstunden am Morgen mit dem Korrigieren von Typoskripten. Am Con-Samstag ergab der Programmplan, dass ich eine Stunde lang neben Jean Claude Dunyach signierte. Auch er bündelte ein Manuskript vor sich und lektorierte fleißig darin. Auf meine Frage, ob dies sein neuer Roman sei, antwortete er: Nein, es sei der Debütroman seiner fünfzehnjährigen Tochter - ein Jugendroman, und er sei wirklich großartig!

In solchen Augenblicken fühle ich mich in der Regel sehr alt …

3) Wie es der Teufel mal wieder wollte, glänzte der Übersetzer, der von den Organisatoren speziell für meine Podiumsdiskussion eingeladen worden war, durch Abwesenheit. Nachdem wir (drei französische Autoren, ein französischer Moderator und meine Wenigkeit) zwanzig Minuten nach dem offiziellen Beginn der Diskussion immer noch hoffnungsvoll (oder was mich betrifft: händeringend) auf der Bühne warteten, ob der Übersetzer noch auftauchen würde, traute sich schließlich eine Besucherin aus dem Publikum nach vorne und meinte, sie könne ein wenig deutsch und es immerhin mal versuchen. Irgendwie brachten wir dann auch eine halbwegs verständliche Podiumsdiskussion zustande. Trotz beherzter Übersetzungsversuche konnte ich allerdings meist nur vermuten, um was es gerade ging. Immerhin versprach man mir, dass nächstes Jahr alles besser werden würde und man einen professionellen Übersetzer engagieren werde. Zumindest weiß ich nun, wo ich in einem Jahr wieder sitzen werde.

Was ist sonst noch zu bemerken? Französische Schriftsteller beklagen sich über die selben Probleme wie deutsche, jammern über die gleichen Genre-Vorurteile wie wir, und SF-Fans sehen wohl im gesamten bekannten Universum gleich aus. Die französischen LORD GAMMA-Leser, deren Bücher ich signieren musste, untermauerten mit ihren Meinungen die guten französischen Buchkritiken (wodurch ich teils angenehm, teils verlegen berührt war). Und die französische Küche schafft es immer wieder, dass ich mir in wenigen Tagen etliche Pfunde zuviel anfresse - selbst wenn ich nie lernen werde, wie man Muscheln und Langusten isst, ohne die Aufmerksamkeit des gesamten Restaurants auf mich zu ziehen …

 

21. Mai 2004


Mit beiden Beinen wieder zurück aus Frankreich, aber zu müde, um tatsächlich noch etwas Geistreiches und Gehaltvolles zustande zu bringen. Daher verschiebe ich alle weiteren Aktivitäten auf kommende Woche.

 

12. Mai 2004


Mit einem Bein bin ich bereits auf dem Sprung zum Imaginales-Festival nach Epinal, doch erst seit einer halben Stunde weiß ich, was mich (zumindest am Freitag) auf dem Con erwartet. Abgesehen davon, dass ich unter mehr als 70 Autoren und Illustratoren als einziger deutscher Autor eingeladen wurde, bin ich gemeinsam mit Pierre Bordage, Thierry Di Rollo und Denis Guiot an einer Podiumsdiskussion beteiligt, die sich "Cauchemars futuristes", also "futuristische Alpträume" nennt. Na logisch, dachte ich amüsiert, als ich es gelesen habe. Wo auch sonst? Schließlich hieß meine erste ins Französische übersetzte Erzählung dereinst QUO VADIS, ARMAGEDDON? Und im Hinblick auf ABYDOS wird es sicher noch ein paar Jahre dauern, ehe ich mein Apokalypse-Image los sein werde.

Den nächsten Eintrag gibt's am 21. Mai.

 

8. Mai 2004


Gestern erhielt ich endlich meine IMAGON-Belegexemplare - und zu meiner freudigen Überraschung auch ein Vorabexemplar von EINE TRILLION EURO, der von Andreas Eschbach herausgegebenen Anthologie (nahezu) aller SF-Spitzenautoren der Euro-Zone. Lediglich Portugal und Irland fehlen auf der literarischen Karte. Präsentiert werden ausnahmslos deutsche Erstveröffentlichungen, von denen viele exclusiv für diese Sammlung geschrieben wurden.

Nun aber nicht sofort zum nächsten Buchhändler laufen: Die Anthologie wird frühestens Ende nächster Woche im Buchhandel zu finden sein. Ich erhielt mein Exemplar (offenbar das persönliche Handexemplar meines Lektors bei Lübbe) auf besonderen Wunsch hin, um damit kommende Woche auf der Imaginales ein wenig Werbung zu machen. Denn immerhin sind auch zwei der darin veröffentlichten französischen Autoren in Epinal zu Gast: Pierre Bordage und Jean Claude Dunyach.

Die repräsentativste europäische SF-Anthologie aller Zeiten, steht ein wenig prahlerisch auf dem Backcover des Buches. Ich scheue mich zwar in der Regel vor derartigen Superlativen (zumal auch meine Erzählung DIE AUSGESETZTEN darin enthalten ist), aber in diesem Fall kann ich das, was Andreas in diversen Foren und auf seiner Homepage hat verlauten lassen, nach sporadischem Querlesen nur bestätigen: Es ist wirklich eine Hammer-Anthologie geworden!

Parallel zur Veröffentlichung bläst man in den Medien offenbar zum SF-Großangriff: Im aktuellen Börsenblatt des deutschen Buchhandels erschien jüngst ein fünfseitiger Artikel mit dem Titel: Ein Platz für Aliens. Im Kielwasser des Erfolges von Frank Schätzings Umwelt-SF-Thriller DER SCHWARM und in Aussicht auf kommende SF-Novitäten hofft man wohl, Buchhändler und Leser zu einer Reform ihrer Ansichten zu SF und Fantasy bewegen zu können, frei nach dem zitierten Motto: Totgesagte leben länger. So heißt es dann auch in der Subline des informativen Artikels: In den oft stiefmütterlich behandelten Genres steckt ein großes Potential (...) und neue thematische Akzente.

Es bleibt zu Hoffen, dass Bemühungen wie die Anthologie von Andreas Eschbach oder der Artikel von Maren Bonacker Früchte tragen - mit dem längerfristigen Ziel, die Leser zwar nicht zu missionieren, aber die SF wieder gesellschaftsfähiger zu machen. Wünschenswert wäre es allemal.

 

3. Mai 2004


Letzte Woche bat mich mein Lektor "in aller Hektik" um eine kurze Inhaltsangabe zu ABYDOS (u. a. für den Klappentext, wie er sagte). Offenbar wird man angesichts meiner Monate langen Geheimniskrämerei ein Jahr vor Veröffentlichung langsam unruhig darüber, was da eigentlich auf den Verlag zukommt. Zumindest kennt man bei Lübbe die ersten drei Kapitel - ganz im Gegensatz zu meinem darbenden Agenten, der bisher keine einzige Zeile des Manuskripts gelesen hat.

Wäre das lange überfällige MEPHISTO mit dem im Januar/Februar geführten Interview halbwegs pünktlich erschienen, gäbe es längst ein paar Geheimnisse weniger um ABYDOS. Aber nach wie vor ist weit und breit kein Magazin in Sicht, wodurch bereits ein Drittel des Interviews (das lange vor der IMAGON-Taschenbuchausgabe hätte erscheinen sollen) wieder Makulatur ist. Dies bestärkt mich bei meiner Entscheidung, Interviews zukünftig nur noch Online-Magazinen zu geben - sollte es sich nicht gerade um den SPIEGEL, den STERN oder ähnliches handeln. Ich bin es jedoch leid, meine Zeit für seiten- und tagelange E-Mail-Wechsel zu opfern, deren Gesprächsinhalt von der Zeit eingeholt wird und sich irgendwann in Wohlgefallen auflöst.

Nun gut, ich also sechs Seiten ABYDOS-Exposé geschrieben und an den Verlag und an meinen Agenten geschickt. Während Lübbe sich (in aller Hektik) auf ein "Danke" beschränkte, lautete die Antwort von Schlück: "Wirklich eine tolle Geschichte - ein echter Marrak halt." Diese Aussage beruhigt mich ein wenig. Denn spätestens sobald ich bei Manuskriptseite 500 angekommen bin, schleicht sich bei mir Buch für Buch der Glaube ein, das, was ich gerade fabriziere, sei der totale Kokolores. Aber: Vielleicht meint mein Agent ja genau das, wenn er schreibt: "Ein echter Marrak halt ..." ;-)

ABYDOS plätschert jedenfalls gemächlich dem Ende entgegen. Nachdem ich endlich herausgefunden habe, dass der Blasebalg bei alten Beatmungsgeräten "Faltenbalg-Luftreservoir" genannt wird (ein schreckliches Wort!), warte ich nun noch auf diverse Übersetzungen ins Assyrische, Alt-Hebräische und Alt-Lateinische, um endlich ein paar kleinere Lücken in der ersten Hälfte des Romans Roman zu schließen. Aber keine Sorge, es gibt Fußnoten ...

 

24. April 2004


Es gibt ein Projekt, das von mir bis letzte Woche recht stiefmütterlich behandelt wurde. Um ehrlich zu sein: Es ist in den vergangenen anderthalb Jahren ziemlich verwahrlost. Die Rede ist von meiner Storycollection bei FESTA.

Leider ist sie eines von diesen Langzeitprojekten geworden, die parallel zur Arbeit an ABYDOS und co. langsam im Hintergrund entstehen. Eigentlich hätte sie bereits vor vier Jahren unter dem Titel LORD GAMMA bei SHAYOL erscheinen sollen, doch dann wurde die namensgebenden Kurzgeschichte immer umfangreicher und mutierte schließlich zum Roman, der die Sammlung kurz und schmerzlos platt machte. Nachdem Ende 2002 IMAGON erschienen war, erinnerte Frank sich an das Projekt und meinte: Lass uns das doch für nächstes Jahr bei FESTA als Taschenbuch andenken. Aus gesundheitlichen Gründen musste ich das Projekt jedoch auf 2004 verschieben, und aus termintechnischen Gründen schließlich auf Frühjahr 2005. Zumindest haben wir diesen Zeitpunkt nun bei einem Telefonat Anfang des Jahres ins Auge gefasst.

Immerhin haben Frank und ich uns bereits auf die Liste der Storys, die ich in die Sammlung aufnehmen möchte, geeinigt. Man kann das Buch als Retrospektive fast aller Erzählungen der letzten zehn Jahre betrachten. Inzwischen sind Frank und ich soweit, dass ich - sofern ich es zeitlich schaffe - pro Monat mindestens ein bis zwei fertig überarbeitete Geschichten an ihn schicke. Drei Storys hat er mittlerweile, elf bis zwölf werden im Buch enthalten sein. Allerdings besitzt die Collection noch keinen Titel, und auch die Originalstory für die Sammlung ist noch nicht fertig. Vielleicht sollte ich ihr einen ähnlichen Namen geben wie dereinst LORD GAMMA, dann mutiert sie womöglich ebenfalls zu einem Erfolgsroman … REVEREND ATOMIC, oder so ...

 

19. April 2004


So, IMAGON-Taschenbuch, Teil 2 ...

Zumindest der größte Buchhändler der Stadt hat IMAGON bereits bei den Neuheiten ausliegen. Da meine Belegexemplare noch nicht eingetroffen sind, konnte ich es mir nicht verkneifen, ein Buch zu kaufen. Nach "eigenäugiger" Prüfung bin ich nun ein wenig zufriedener, aber nach wie vor nicht so recht glücklich mit dem Cover. Durch den größeren Bildausschnitt sieht man zu viele Pixel, was mir natürlich am wenigsten gefällt, und das Bild wirkt irgendwie matschig. Vielleicht ist's auch nur Gewöhnungssache, denn ich bin sicher: Jenen, die den Original-Entwurf nicht kennen, wird kaum auffallen, was alles vom Motiv abgeschnitten wurde. Andererseits ist das Cover weitaus dunkler, kontrastreicher und schärfer als die im Netz zu findenden Abbildungen. Und auch nicht zerkratzt, wie man anhand dieser vermuten könnte. Ich hatte schon befürchtet, besagte "Kratzer" wären von den Verlagsgrafikern eingefügt worden, um mehr schlecht als recht einen Schneesturm darzustellen ... Na ja, Autorenparanoia ...

Last but not least: Dirk Bergers Innenillustrationen kommen ebenfalls sehr gut rüber, im Druck ist kaum etwas von den Kontrasten verloren gegangen. Insgesamt ist es also ein schönes Buch geworden, wenn auch ich in Zukunft alles dransetzen werde, den endgültigen Coverentwurf (und vor allem den Backcovertext!) abzusegnen, ehe ein Buch von mir in Druck geht.

 

16. April 2004


Kaum bastelt man sich ein paar nette Thumbnail-Coveransichten für die Startseite, ist auch schon wieder alles anders und überholt. Soeben fand ich bei diversen Online-Buchhändlern eine Abbildung des IMAGON-Taschenbuchs, die wohl das endgültige Cover darstellet - mit neuem Schriftzug (zu meiner Zufriedenheit) und lediglich nur noch einem Bildausschnitt des ursprünglichen Covers (zu meinem Entsetzen). Ein Grossteil der Eisebene fehlt, ebenso der linke Berg. Sämtliche Coverkomponenten kleben (zu allem Überfluss auch noch mittig) aufeinander, die kosmische Weite des vollständigen Motivs ist völlig verloren gegangen. Falls dies kein billiger, kontrastarmer Scan aus einem mir noch unbekannten Prospekt sein sollte (wofür die Kratzspuren sprechen), sondern tatsächlich das endgültige Cover, frage ich mich: was soll das? Haben die Verlagsgrafiker nichts besseres zu tun, als aus einem optimalen Entwurf doch noch ein schlechtes Titelbild zu machen?

Nun gut, ich werde abwarten. Offenbar ist IMAGON bereits erhältlich, einige Onlinehändler geben "Lieferbar innerhalb von 24 Stunden" auf ihrer Site an. Ich warte auf meine Belegexemplare, ehe ich mir eine endgültige Meinung bilde. Aber mir schwant gar Fürchterliches ...

 

14. April 2004


Über Ostern erhielt ich einige Rückfragen von Lesern, die sich für die genauen Daten des SF-Festivals in Epinal interessierten. Im "Kalender" kann inzwischen das Wichtigste auf einen Blick in Erfahrung gebracht werden. Nachfolgend auf besonderen Wunsch ein paar ausführlichere Informationen:

Das IMAGINALES 2004 findet vom 13. bis 16. Mai in Epinal statt. Mit über 70 Autoren, Illustratoren und Wissenschaftlern ist es ein recht großes französisches SF-Festival. Weitere Ehrengäste sind dieses Jahr u. a. Robert Sheckley (USA), Stan Nicholls (GB), Juliet McKenna (GB), Robert Holdstock (GB), Kristine Kathryn Rusch (USA), Jean-Pierre Andrevon (F), Ayerdhal (F), Pierre Bordage (F), Nicolas Bouchard (F), Philippe Claudel (F) und Jean-Claude Dunyach (F). Wer der französischen Sprache mächtig ist, kann sich auf der IMAGINALES-Homepage über alles weitere informieren.

Das Festival des mondes imaginaires, wie es vollständig heißt, wurde ins Leben gerufen von Stephane Nicot, dem Herausgeber des renommierten französischen SF-Magazins GALAXIES, und geht in diesem Jahr bereits zum dritten Mal über die Bühne. Da Epinal am Westrand der Vogesen - und somit gerade einmal 100 Kilometer von Straßburg bzw. Freiburg entfernt - liegt, dürfte diese Convention für all jene von Interesse sein, die aus dem Raum Baden Württemberg, Saarland und dem südlichen Rheinland Pfalz kommen. Doch auch von ferner her dürfte sich eine Fahrt in die Vogesen bestimmt lohnen. Vielleicht sieht man sich ja …

 

7. April 2004


Vor rund zwei Monaten hatte ich ein neues, umfangreiches Interview angekündigt, dass (laut Verlagshomepage) Anfang/Mitte März in der Nr. 26 des Spielemagazins MEPHISTO hätte erscheinen sollen. Als ich vergangenes Wochenende aus dem Urlaub zurück kam, war zwar mein Briefkasten voll, doch das Magazin noch immer nicht dabei. Nach kurzer E-Mail-Rückfrage versicherte man mir, dass das Magazin nun definitiv nach Ostern erscheinen soll.

Und noch eine urlaubsbedingte Verspätung: Auf SF-Fan.de dürfte (falls über Nacht nicht bereits geschehen) in Kürze auch das neue Wallpaper-Motiv für April online gehen. Für jene, die es nicht wissen: Das für das Bild verfremdete Monument existiert wirklich. Es ist der Vigeland Monolith über Oslo. Drei Steinmetze arbeiteten vierzehn Jahre lang (von 1929 bis 1943), um die fast siebzehn Meter hohe, aus einem einzigen Block gehauene Säule zu erschaffen und ihre 121 steinernen Leiber zu formen.

Ab heute sind es laut Vertrag übrigens noch exakt sechs Wochen bis zum Abgabetermin von ABYDOS. Das wird, wie bereits an anderer Stelle im PANORAMA erwähnt, nicht ganz hinhauen, zumal ich Mitte Mai für vier Tage nach Frankreich eingeladen worden bin - genauer gesagt nach Epinal, auf das Festival des mondes imaginaires, oder kurz: Imaginales 2004. Mehr dazu eventuell in den kommenden Wochen. Das große ABYDOS-Finale werde ich daher wohl erst nach dem anschließenden Vogesen-Kurzurlaub in Angriff nehmen.

 

2. April 2004



Eigentlich hatte ich vorgehabt, dieses Jahr endlich einmal die Leipziger Buchmesse zu besuchen, doch da meine geplante Signierstunde am Festa-Stand gecancelt wurde, genieße ich noch immer den überraschend milden Frühlingsanfang in Schottland. Von hier aus ein dickes Sorry! an alle, mit denen ich mich in Leipzig verabredet hatte. Grüne Hügel und Guinness waren letztlich verlockender als überfüllte Messehallen. Wer bei SF-Fan.de zudem auf den neuen Wallpaper für April wartet, wird sich ebenfalls noch ein paar Tage gedulden müssen.

Hier in Glasgow gibt es zahllose Krempel- und Plunderläden, sogenannte Brick-a-brack-Shops, die nicht selten mit Devotionalien gefüllt sind, für die manch deutscher SF-, Fantasy- oder Horror-Fan einen Mord begehen würde. Man kann stundenlang im Staub der Jahrzehnte (und nicht selten sogar Jahrhunderte) wühlen und sich durch antiken Tand und Trödel graben, gelagert in Kartons, die oft unberührt in Ladenecken oder unter Bergen anderer Sachen versteckt sind, seit der Besitzer sie vor Jahren angekauft hat.

Einigen Lesern dürfte bekannt sein, dass ich mich für Dinge begeistere, die man im Volksmund ‚hanebüchen' nennt. Verrückte, hirnrissige oder einfach nur alberne Sachen, die einem die Haare zu Berge stehen lassen oder die Tränen in die Augen treiben. Kulturelle Unfälle, wie ich es nenne, oder einfach nur Dinge, die schräg und grotesk sind. Auf Cons beispielsweise kaufe ich seit einigen Jahren gezielt jene Horror- und SF-Heftromane, die mit den dämlichsten und peinlichsten Titeln und Covern aufwarten, und auf Flohmärkten und in Antiquariaten stöbere ich nach alten, illustrierten Weltraumbüchern, die vor 1960 erschienen sind und in denen man (vom damaligen Stand der Wissenschaft aus gesehen) bereits auf naive, fast schon possierliche Art und Weise von Mondminen, Mondstädten und Reisen durch das Sonnensystem träumte (W. D. Rohr lässt grüßen!). In diesen Werken wurden Landefähren noch nach dem Hau-ruck!-Prinzip mit vereinter Muskelkraft vom Mutterschiff weggeschubst. Die Schwerelosigkeit sollte es scheinbar möglich machen.

Von Berufs wegen bin ich auch ein Sammler von Anekdoten, die man sich voneinander erzählt, von Marotten, die mir bei Menschen auffallen, und von seltsamen oder aberwitzigen Geschichten, die für einen einzigen Tag durch die Presse geistern und danach wieder spurlos im Medien-Nirvana versinken. Um es auf den Punkt zu bringen: Ich sammle für die Inspiration. Natürlich möchte ich das PANORAMA nicht zu einer literarischen Freakshow oder einem Kuriositäten-Kabinett ausarten lassen, aber vielleicht bringt nachfolgende Geschichte ein wenig Licht in die "geistreiche", unter Autoren nicht umsonst verhasste (aber immer wieder gestellte) Publikumsfrage: "Sagen Sie mal, Herr Bücherbauer, woher bekommen Sie eigentlich Ihre Ideen?"

Der "Animal Day" begann bei zwei gewaltigen, archaisch wirkenden Bäumen, die sich in einem der zahlreichen Parks von Glasgow auf einer sanften Anhöhe erheben. Ich passierte sie auf dem Weg zur Bushaltestelle. Monkey Puzzle Tree stand auf dem botanischen Hinweisschild, das am Stamm des größeren der beiden angebracht worden war. Affenpuzzlebaum. Der Name ist ebenso abstrus wie irreführend, denn es handelt sich um Chilenische Araukarien, die (wie 50 Millionen Jahre alte fossile Funde belegen) zu den ältesten Baumarten der Welt gehören. Die englische Bezeichnung Monkey Puzzle Tree rührt (laut Recherche) vom Kommentar eines Engländers um 1800, der meinte, einen solchen Baum zu erklimmen sei ein Rätsel für einen Affen. Im selben Park wimmelt es übrigens von fetten Eichhörnchen, die man fast schon als handzahm bezeichnen kann. Allerdings vergraben sie - ihrer Natur folgend - sogar Toastbrot und wundern sich, wenn es eine Woche später nicht mehr da ist ...

Während der Busfahrt zum Central Station kam ich mit einem älteren SF-Fan ins Gespräch. Sein ernüchterndes Statement: Er habe im Laufe seines Lebens über 8000 Bücher gelesen; hauptsächlich von angloamerikanischen Autoren und Romane aus Down Under, aber auch französische, russische, polnische oder spanische SF - er kenne jedoch keinen einzigen deutschen SF-Schriftsteller und auch keinen deutschen SF-Roman. Er wusste nicht einmal, dass es so etwas wie SF auch bei uns gibt. Wie könne man in Deutsch überhaupt schöne Bücher schreiben? Er konnte sich kaum vorstellen, dass man in unserer kalten, harten Sprache etwas Romantisches sagen könne. Deutschland, ja, darüber lese er natürlich ständig in der Zeitung. Da gäbe es doch so viele Mutationen und Tiere mit Gen-Defekten; einen Frosch mit drei Mäulern etwa, der auf sechs Beinen herumspränge, und erst gestern hätten sie doch eine Katze mit vier Ohren gefunden. Es bedurfte einiger Überredungskunst, ihn zu überzeugen, dass man den dreiköpfigen Frosch in Wahrheit in Südengland entdeckt hatte.

Deutschland, das Land der Monster und Mutanten. Nun ja. Am Central Station angekommen, schlenderte ich (der Tourist aus dem finsteren Land Mordor) auf der Suche nach einer Reiselektüre für eine Zugfahrt nach Dunbar durch den Bahnhofsbuchhandel. Das erste Cover, das mir ins Auge stach, war das Titelbild eines Magazins namens FORTEAN TIMES - einer Art TITANIC für Esoterik-Freaks, wie ich vermute. Die Titelstory: Auf der Suche nach dem mongolischen Todeswurm. Das Cover: Eine blutrote Illustration des besagten Ungetüms. Ferner suchte man noch weitere Monster: New Yorks Nessie und Sumatras Affenmenschen, den Orang-Pendek. Keine Frage, ich hatte meine Reiselektüre gefunden. Im Zug selbst erregte jedoch zuerst eine andere Sorte "Untier" meine Aufmerksamkeit, denn auf der Titelseite einer liegengelassenen Tageszeitung prangte die Headline: Rodent rage hits mouse breeders! Das war der Augenblick, in dem ich begann, mir "Tiernotizen" zu machen ...

Schotten, muss man wissen, sind große Fans von Hunde- und Katzenschauen. So mag es auch nicht verwundern, dass es hier sogar eine sehr beliebte Mäuseschau gibt, die Spring Cup Show, veranstaltet vom National Mouse Club. Nachdem jedoch die Gewinnermaus nach der letzten Preisverleihung stranguliert in ihrem Käfig aufgefunden wurde, war während der Feierlichkeiten eine wüste Schlägerei zwischen Fans und Züchtern ausgebrochen. Ein Sekretär des rivalisierenden London and Southern Counties Mouse and Rat Club verkündete inzwischen sein Bedauern über den Vorfall. Zwei Seiten weiter, fast als Rechtfertigung für britische Mäuseschauen, fand ich die Information, dass es in Belgien für kurze Zeit eine Art Katzenfestival gab. Höhepunkt war es, Katzen über eine recht hohe Klippe zu werfen und davor Wetten abzuschließen, ob sie mit den Füßen voraus landeten - bzw. aufschlugen. Man erinnert sich bei solchen Meldungen gerne an den Physikerwitz von der Katze, der ein Butterbrot auf den Rücken gebunden wurde. Aufgrund des Equilibriums der beiden entgegensetzten Kräfte rotiert ein solches Ensemble - angetrieben vom ungelösten Konflikt - theoretisch auf unbegrenzte Zeit über dem Boden. Nun gut, das belgische Katzenfestival wurde mangels Butterbrote nach kurzer Zeit wieder verboten.

Ach ja, der Mongolische Todeswurm. Wie der Name bereits vermuten lässt, treibt seinesgleichen angeblich in der Mongolei ihr Unwesen; genauer gesagt: unter den Sanddünen der Wüste Gobi. Die Einheimischen gaben ihm den Namen Allghoi khorkhoi, was - angelehnt an sein scheinbares Aussehen - Kuhdarmwurm bedeutet. Er wird als fette, leuchtend rote, schlangenähnliche Kreatur beschrieben, die bis zu vier Fuß lang werden kann und sich besonders von der Farbe Gelb angezogen fühlen soll. Man erzählt, dass der Wurm Gift versprühen könne und zudem in der Lage sei, über eine Distanz von mehreren Metern tödliche elektrische Stromschläge zu schleudern. Ob Frank Herbert sich wohl einst für seinen Dune-Zyklus von diesem Mythos inspirieren ließ? Oder doch eher vom österreichischen Tatzelwurm?

Um diesen tierischen PANORAMA-Eintrag abzurunden: In IMAGON geht es bekanntlich ebenfalls um monströse, lichtscheue, schwarze Würmer. Nichtsdestotrotz hat trekkingguide.de den Roman in die Liste weiterführender Literatur für Trekkingtouren in und nach Grönland aufgenommen. Na, da wünsche ich doch eine angenehme Reise ...

 

14. März 2004


Vor einigen Jahren, in meiner Kleinverlagszeit, lag die Auflage meiner Bücher noch bei rund 300 Exemplaren. Dann erschien "Lord Gamma" in fünfstelliger Auflage, und bereits im Startmonat verkauften sich knapp 4000 Exemplare. Es ist daher nicht verwunderlich, dass "Lord Gamma" oder auch "Imagon" für viele Leser die ersten Bücher aus meiner Feder waren.

In den vergangenen Monaten erhielt ich diverse Anfragen von Lesern und Sammlern, die sich für weitere Veröffentlichungen interessierten, vor allem für einzelne Erzählungen, und die nach einer bibliographischen Liste oder anderen Hinweisen fragten, mit deren Hilfe sie diese Geschichten aufstöbern könnten.

Frei nach dem Motto Da werden Sie geholfen! findet man in der Rubrik "Privates" nun eine erste vollständige und aktuelle Bibliographie. Sie beinhaltet alle veröffentlichten Texte seit 1990 - abgesehen von Interviews und Sekundärbeiträgen wie dem H. R. Giger-Portrait von 1989. Eine chronologisch geordnete Liste folgt in Kürze, ebenso eine Werksliste sämtlicher Cover und Illustrationen (dauert wohl etwas länger).

Ergänzend dazu habe ich ein paar Site-Wehwehchen behoben, mit dem Erfolg, dass auch der "Bazar" wieder aktiv ist. Allerdings habe ich ihn ins "Archiv" verschoben, wo er besser aufgehoben ist. Im "Bazar" erhält man einen Überblick über alle noch erhältlichen Buchpublikationen nebst Bestellmöglichkeiten.

 

10. März 2004


Heute auf ABYDOS-Manuskriptseite 500 angekommen. Eine schöne runde Zahl, aber kein Grund zum Feiern, denn es folgen noch ca. 100 weitere. Seit Anfang Januar tue ich kaum etwas anderes, als mich tagein, tagaus mit dem Roman zu beschäftigen - egal ob ich nun schreibe, recherchiere, lektoriere oder nur über Textpassagen nachdenke. Bevor ich mich daher aufs Finale stürze, benötige ich dringend eine Schreibpause und vor allem einen Tapetenwechsel. Schottlandurlaub # 2 steht an, und anschließend die Leipziger Buchmesse.

Bis Anfang Mai (dem eigentlichen Abgabetermin) wird zumindest der Rohbau des Romans fertig sein, wonach auch gleich die lästigste Arbeitsphase beginnt: das Korrekturlesen. Zuerst durch mich (ein Schlachtfest in Rot!), danach geht der Roman zur externen Bearbeitung an einen Freund, der ebenfalls schonungslos wütet, dann alles wieder zurück an mich, und ich lese, nachdem ich das Notwendige übertragen und geändert habe, den ganzen Böttel nochmals Korrektur. Diese drei Schritte dauern in der Regel ca. zwei Monate, womit wir bereits im Juli wären. Sofern alles gut geht, erscheint ABYDOS (unter einem Titel, der mit dem Buchstaben M beginnt) schließlich im Mai 2005. Eines ist zumindest jetzt schon sicher: Drei Jahre zwischen zwei Romanveröffentlichungen dauern entschieden zu lang.

 

8. März 2004


Als ich vorletzte Woche wegen der Wallpaper-Aktion auf SF-Fan.de mit Florian Breitsameter telefonierte, war ich ihm gegenüber felsenfest davon überzeugt, wir hätten Ende Dezember 2003. Einen Tag später telefonierte ich mit einem Freund und entschuldigte mich dafür, dass ich seine Story nicht rechtzeitig lektorieren könne, und war todsicher, wir hätten bereits Ende März 2004. Beides zeugt davon, dass man hin und wieder den Bezug zur Realität verliert, wenn man zu intensiv an Büchern schreibt. Zumal in der Welt von ABYDOS die Zeit eh nicht in irdischen Maßstäben vergeht und Tag und Nacht Wochen dauern.

Inzwischen regt sich auch überraschend das Ausland wieder, doch man hat mir mit aller Freundlichkeit und Freundschaft einen Maulkorb auferlegt. Also werde ich schweigen und mich solange still vor mich hin freuen - falls (ja, falls!) es denn klappen sollte und die Sache tatsächlich unter Dach und Fach kommt. Denn das betreffende Land ist (Zitat des Übersetzers): "voll von Schurken ..."

 

21. Februar 2004


Jeder kennt das: Aus heiterem Himmel passiert plötzlich alles auf einmal. Akkumulation nennt man dieses Phänomen. Es bezeichnet einen Ereignis-Crash, bei dem der Betroffene nicht mehr weiß, wo ihm der Kopf steht. Allerdings es gibt auch das Gegenteil: Es passiert absolut gar nichts, und zwar geballt. Am Stück. Wochenlang. Sommerloch ist ein schönes Synonym dafür, aber leider nicht Winter-Kompatibel. "Im Vakuum rudern", nannte Frank Festa diesen Zustand, als wir vor kurzem auf das Thema kamen. Die einzige dynamische Person in einer statischen Welt ist man selbst, gefangen in einem Hohlraum, in den nichts hinein gelangt und dem man ebenso wenig entfliehen kann.

Wer die diesjährigen Panorama-Einträge gelesen hat, dem dürfte aufgefallen sein, dass bisher - abgesehen vom Interview für MEPHISTO - tatsächlich nicht viel passiert ist. Interessante Neuigkeiten: Pustekuchen. Die einzige Veränderung seit Jahresanfang bestand und besteht weiterhin darin, dass ABYDOS jeden Tag ein bisschen dicker wird. Selbst meine Versuche, Agenten, Verlagen, Übersetzern und sonstigen Quellen für das Interview ein paar Neuigkeiten zu entlocken, scheiterten am mangelnden Informationsgehalt.

Die Franzosen wissen immer noch nicht, ob sie auch IMAGON übersetzen und warten auf die überarbeitete Lübbe-Taschenbuchausgabe. Dänemark, Russland und Italien regen sich seit Monaten bzw. Jahren nicht mehr oder jammern über ihr eingedampftes Phantastik-Programm. Insgeheim hatte ich die Hoffnung, die Griechen könnten damit begonnen haben, LORD GAMMA oder zumindest eine Kurzgeschichte zu übersetzen, doch Eleftherotypia ist (laut meiner Agentin für die Auslandsrechte) die komplette Festplatte mit meinen Texten abgestürzt ...

Tja, shit happens. Ein bekannter Aphorismus sagt: "Die Zeit ist Gottes Art und Weise, zu verhindern, dass alles auf einmal passiert."

Wohl wahr. Den nächsten Panorama-Eintrag gibt's daher erst am 7. März.

 

13. Februar 2004


450 Manuskriptseiten. Zudem weitere 100 bis 150 Seiten mit noch nicht vollständig zusammenhängenden Textabschnitten. Langsam aber sicher geht es dem Ende zu. Das in ABYDOS die Ägyptologie eine tragende Rolle spielt, dürfte inzwischen kein Geheimnis mehr sein. Momentan grabe ich mich bei der Recherche für den vierten Teil des Romans durch antike, muffig riechende Bücher über altägyptische Höllenvorstellungen und Medizin. Dabei stieß ich auf einige recht kuriose Fachbereiche des damaligen Ärztewesens.

Zu pharaonischer Zeit praktizierten drei Arten von Medizinern: Priester-Ärzte, die so genannten Wabu, Laien-Ärzte, die Sunu, und "Gesundbeter", die meistens reine Quacksalber waren. Der Grieche Herodot gewann bei einer seiner Ägypten-Reisen den Eindruck, die Heilkunst des Landes sei so verteilt, dass jeder Arzt nicht mehr als nur eine Krankheit zu heilen verstünde, weshalb es in Ägypten vor Ärzten nur so wimmle. Tatsächlich gab es Spezialärzte mit "besonderen Fähigkeiten". Sie trugen Titel wie "Hüter des königlichen Atems" oder "Arzt des königlichen Kopfes". Der Mediziner Iri durfte sich "Vertrauter der königlichen Luftröhre" nennen, einer seiner Kollegen "Beschützer des königlichen Herzens". Am wenigsten zu Lachen hatte jedoch der Wabu Pepianch. Er trug den zweifelhaften Titel "Hirte des königlichen Anus" ...

Manchmal ist das Leben einfach ungerecht.

 

10. Februar 2004


IMAGON ist in Druck, rien ne va plus. Jetzt beginnen wieder die quälenden Alpträume von Seiten fressenden Druckmaschinen, Amok laufenden Falz- und Schneidemaschinen und von Verpackungsanlagen, die auf Bücherstapeln vergessene Vesperpakete nahtlos mit einschweißen ... Paranoid, ich weiß, aber seit 1994 MONAFYHR in Druck ging, habe ich in den entscheidenden Wochen mindestens einen Schreckenstraum, in dem mein aktuelles Buch aus der Druckerei kommt, als hätte dort eine Horde wilder Paviane die Maschinen bedient.

Der Grund, warum es erst heute wieder einen Eintrag gibt, ist übrigens simpel: Ich war krank. Klar, werden jetzt einige denken, dabei weiß doch jedes Kind, dass man auf dem Mars seine Rübe nicht ohne Raumanzug aus dem Cockpit strecken soll … Ja, ja ...

Während ich also die Nachwirkungen der Dekompression nebst CO2-Vergiftung auskurierte, bat mich das Spielemagazin MEPHISTO um ein Interview, und zwar als eines der drei Titelthemen der kommenden Ausgabe Nr. 26. Dementsprechend umfangreich ist das Teil (auf ausdrücklichen Wunsch des Herausgebers!) dann auch geworden. Mit 25 Manuskriptseiten ist es meines Wissens sogar das längste, das ich je gegeben habe. Der Interviewer hat es dabei geschafft, mir Informationen zu entlocken, mit denen ich eigentlich erst ab Herbst nach und nach herausrücken wollte. Wen also interessiert, was es u. a. mit ABYDOS und der kommenden Storysammlung im Festa-Verlag auf sich hat, der darf ab Mitte/Ende März gerne am nächsten Zeitschriftenkiosk oder im Bahnhofsbuchhandel vorbeischauen.

 

29. Januar 2004



Eigentlich wollte ich ja nur nach Hannover ins Kino, aber dann dachte ich mir, wenn ich schon mal so gemütlich im Foo Fighter sitze ... Oben: Schnappschuss mit "Spirit" im Ma'adim Valis um 8:12 Uhr Sol. Rover schläft noch. Blick über die Gusev-Kraterebene nach Südwest auf den 7,5 Kilometer entfernten Grissom Hill. Luft relativ staubig, Temparatur minus 47° Celsius, Atmosphärendruck 6,47 Millibar (zwickt ganz schön!). Besondere Vorkommnisse: Aus Versehen auf Rover getreten. Tschuldigung ...

 

27. Januar 2004


Für gewisse Zeit hatte ich die Hoffnung, ABYDOS könnte tatsächlich als Zweiteiler veröffentlicht werden, doch seit heute ist klar: Es wird ein Einzelband, dick, aber in sich abgeschlossen. Zumindest hoffe ich, dass alles so läuft wie vertraglich vereinbart und der geplanten Veröffentlichung im Frühjahr 2005 nichts im Wege steht. Ein wenig mulmig ist mir nach den (noch internen) Neuigkeiten, die heute aus dem Hause Lübbe bei mir eintrudelten, nämlich schon zumute. Da bisher jedoch noch nirgendwo etwas Offizielles darüber zu lesen ist, werde ich zwangsoptimistisch bleiben und nach dem The-Show-must-go-on-Prinzip weiterarbeiten.

Ortswechsel. Seit gestern wissen wir: Zeitreise ist tatsächlich möglich! Zumindest auf dem Mars. In der vergangenen Woche hörte der Marsrover "Spirit" plötzlich auf, Daten und Bilder zu senden und wähnte sich laut NASA im Jahr 2053. Ob er sich das versehentlich selbst eingebrockt hat oder ein klassisches "Entführungsopfer" wurde, weiß offiziell niemand. Das Erlebnis musste "Spirit" jedoch einen solchen Schock versetzt haben, das er - wieder zurück im Jahr 2004 - seinen Bordcomputer insgesamt 130 Mal hintereinander neu bootete und nur wirres Zeug zur Erde funkte.

Klarer Fall: Der Rover zeigt das typische Verhalten eines tief traumatisierten Roboters mit Daten-Verdrängungssyndrom und leidet zudem an Computer-Tinnitus. Vielleicht sollte "Spirit" sich umgehend mit einem NASA-Psychologen in Verbindung setzen ... ;-)

 

22. Januar 2004


Den Begriff "Künstliche Intelligenz" für die Computersimulation menschlichen Verhaltens benutzte man in diesem Zusammenhang erstmals im Jahr 1956. Seither erblickten zahllose KI's in Literatur und Film die Welt, und manche dieser kybernetischen Science Fiction-Geschöpfe wurden sogar berühmt. Doch wie sieht es heute, im Jahr 2004, mit den real existierenden Cyber-KI's aus? Was haben Jabberwock, Eliza, Alice oder NOMI ein halbes Jahrhundert nach ihrer geistigen Geburt gelernt? Wie steht es um den elektronischen Grips dieser sogenannten Lingubots, die - wie beispielsweise ELBOT - von sich behaupten, ihr (Zitat) Intellekt sei so weit entwickelt, dass sie ihre Intelligenztests selbst entwerfen müssen?

Grund genug für mich, einen dieser virtuellen Bildungsprotze in ein nicht ganz ernst zu nehmendes Gespräch über Roboter, Science Fiction, das Universum und den ganzen Rest zu verwickeln. Hier mein dokumentierter Besuch bei ELBOT, der Asimovs Robotergesetze gerne biegt, aber nicht bricht ...

 

14. Januar 2004


Zwei oder dreimal im Jahr (besonders dann, wenn ich mich vor allzu unbequemer Arbeit drücken will) betreibe ich Web-Eigenrecherche. Soll heißen: Ich mache mir eine große Tasse Kaffee, setze mich an den Computer und gebe meinen Namen in Google ein. Unter allen angezeigten Treffern jene Beiträge, Rezensionen, Artikel oder Bilder zu finden, die ich noch nicht kenne, ist eine wahre Sisyphusarbeit. Gestern allerdings drückte ich mich davor, fast 600 Seiten IMAGON-Korrekturabzüge durchzuarbeiten, die am Montag in zweifacher Ausführung bei mir eintrafen. Vergangene Woche hatte ich bereits das neue Titelbild fertig gestaltet und an den Verlag geschickt. Seit heute ist nun auch die Arbeit am Text vollbracht, frei nach Scottys Arbeitsdevise aus der Star Trek Classic Serie:

Lektor: "Hier sind die Korrekturabzüge."
Autor: "Das dauert mindestens eine Woche!"
Lektor: "Sie haben drei Tage!"
Autor (zuckt mit dem Kopf): Käpt'n, für Sie mach ich's an einem!"

Beim Prüfen der Korrekturen und dem sporadischen Querlesen des Textes musste ich bei manchen Passagen unweigerlich an das Jahr 2001 denken; an die gescheiterten Versuche, aufgrund meiner Probleme mit dem rechten Handgelenk den Roman mit Hilfe einer Spracherkennungssoftware namens ViaVoice fertig zu stellen. Es war ein Desaster!

Beständiger Vorwurf des Programms: Ich rede (beim Denken) zu leise, weshalb ich mehr mit dem Anpassen der Mikrophonempfindlichkeit und dem Ablesen von Testsätzen beschäftigt war als mit kreativer Arbeit. Zweitens: Sprachdeutsch ersetzt kein Schriftdeutsch. Ganz davon abgesehen, dass ein gesprochener Text niemals die Intensität und Kraft eines stillen, geschriebenen Textes erreichen kann. Die dritte Hürde: Ich diktierte einen Text, ViaVoice: "Hä?". Ich wiederholte den Text, ViaVoice: "Hä?"

In der Zeit, in der man ein solches Programm (nach damaligem Entwicklungsstand) auf die eigene Stimme trainiert und es mit all den ihm unbekannten Wörtern gefüttert hat, die man gerne im Buch gesehen hätte, hat man (selbst mit kaputtem Handgelenk) mindestens einen halben Roman geschrieben. Ganz zu schweigen davon, dass auf meinem Bildschirm trotz deutlicher Aussprache meinerseits generell völliger Sprachmüll stand, da ViaVoice alle Wörter, die es nicht kannte, durch ähnlich klingende aus seinem Datenspeicher ersetzt hatte. Richtig lustig wurde es, wenn ich mich räusperte, niesen musste oder das Telefon klingelte ... Für Dadaisten ein Text-Eldorado, für mich ein Alptraum. Irgendwann hatte ich alles entnervt gelöscht und die Software wieder deinstalliert. An zwei seltsame "Ersatz-Gestalten" von damals erinnerte ich mich beim gestrigen Durchlesen der Korrekturabzüge dennoch wieder: Da war zum einen der Moschus-Sachse [statt Moschusochse] und zum anderen die Kurdische Luftmüllerin [statt irdische Lufthülle].

Was übrigens die anfangs erwähnte Web-Eigenrecherche betrifft: Seit gestern weiß ich endlich, unter welchen Kategorien mein Verlag mich offiziell führt: Gemeinsam mit China Mieville stecke ich in den literarischen Schubladen "Science Fantasy" und "Gothic SF". Abgesehen davon, das ich bis gestern nicht wusste, dass es so etwas wie Gothic SF überhaupt gibt, hoffe ich, dass mich Lübbe nicht erst seit meiner Lesung auf dem Leipziger Wave-Gothic-Treffen als Vertreter dieser Literaturgattung sieht. Zudem entdeckte ich die KLP-Laudatio zu LORD GAMMA auf japanisch und habe festgestellt, das der Name Marrak in irgendeiner seltsamen osteuropäischen Sprache sehr oft in Verbindung mit Zebras gebraucht wird …

 

8. Januar 2004


Der Mars fasziniert mich seit meiner Kindheit, und die hier abgebildete Zeichnung war das erste Bild, das ich je von unserem Nachbarplaneten gesehen habe. Damals, als Achtjähriger, glaubte ich, dass der Mars tatsächlich so seltsam aussehen würde wie auf dieser Grafik, bei der sich der Künstler zweifellos von der berühmten Planetendarstellung Schiaparellis aus dem Jahr 1888 inspirieren ließ. Der hier abgebildete Scan stammt aus dem 1972 erschienenen Sachbuch "Weltraumfahrt" von Hello Chondura, einem von zwei Dutzend Sammelbildbänden, die man sich als Kind Anfang der 1970er Jahre am Weltspartag aussuchen konnte. Zu diesem (nebenbei bemerkt sehr sachlichen und informativen) Buch erhielt man außerdem mehrere Bögen mit Farbbildern, die man ausschneiden und an den vorgesehenen Stellen in die Bücher einkleben konnte. Mit diesem Sammelbildband erwachte vor dreißig Jahren mein Interesse an der Astronomie.

Später fragte ich mich oft, warum damals eigentlich keines der weitaus realistischeren Fotos verwendet wurde, die die Sonde Mariner 4 bereits 1965 vom Mars übermittelt hatte. In jenem Jahr (nebenbei auch meinem Geburtsjahr) endeten viele Illusionen und Träume über unseren Nachbarplaneten, die noch zu Zeiten von Autoren wie C. A. Smith Stoff für abenteuerliche Geschichten geliefert hatten. Man vermutete auf dem Mars ein ausgedehntes Netz wassergefüllter Kanäle, urwaldartige Wälder, tentakelbewehrte Aliens und untergegangene Zivilisationen. So nächtigen beispielsweise in Smiths Mars-Story "Die Grabgewölbe von Yoh-Vombis" die Protagonisten in unmittelbarer Nähe einer Äonen alten, geheimnisvollen Ruinenstadt - jedoch keineswegs in dicken Raumanzügen und Thermounterwäsche, sondern nach bester Rider Haggard-Manier: In robuster Wanderkleidung am Lagerfeuer sitzend und Kaffe kochend.

Heute, über siebzig Jahre später, kocht noch immer kein Abenteurer Kaffee auf dem Mars, aber sowohl die NASA als auch die ESA sind bemüht, diesen Missstand zu beheben. Zugegeben, man sollte in Sachen Raumfahrt und Astronomie nicht unbedingt parteiisch sein, aber seien wir ehrlich: Es wurmt uns alte Europäer, dass Beagle 2 noch immer keinen Mucks von sich gibt, während die amerikanische Marssonde Spirit bereits die ersten phantastischen Postkartenaufnahmen ihres Landeplatzes zur Erde funkt. Nichtsdestotrotz: Congratulations! Es bleibt spannend!

Innerhalb von drei Tagen, so war heute zu lesen, gab es 916 Millionen Zugriffe auf die Seiten der NASA und der Marsmission. Kein Zweifel, man interessiert sich noch für die Antworten, die "irgendwo dort draußen" liegen könnten. Die NASA-Wissenschaftler tauften einen kleinen Krater, den sie mit ihrem Rover anzusteuern gedenken, sinnigerweise Sleepy Hollow. Vielleicht, vielleicht ... erwacht im Alten Europa ja das Interesse an der SF irgendwann auch wieder aus seinem Dornröschenschlaf.

Ach ja, apropos Kino: Endlich in Herr der Ringe III gewesen! Ein Augenschmaus, auch wenn mein Gehör wegen des Gebrülls der Nazgul dank THX-Sound-System ziemlich gelitten hat und mir deswegen seit drei Tagen der Schädel brummt. Insgeheim hatte ich ja gewettet, das Sam am Ende Frodo heiratet und nicht Rosie. Und wer außer mir hoffte nicht ebenfalls darauf, dass Agent Elrond endlich seine Sonnenbrille aufsetzt und gehässig fragt: "Surprised to see me, Frodo Anderson?"

Willkommen im Jahr des Affen.




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