PANORAMA Archiv

Januar - Dezember 2005


 

28. Dezember 2005   ·   PROJEKTNOTIZEN # 1


ABC

Für gewöhnlich ziert den Bildschirm meines Schreibrechners ein Desktopmotiv, das in unmittelbarem Zusammenhang mit einem aktuellen Projekt steht. Bei IMAGON beispielsweise waren es abwechselnd Gletscher- und Eisbergmotive oder irgendetwas mit Tentakeln, je nach Kapitel. Bei MORPHOGENESIS war es zumeist dieses Bild, das viele vom ersten, aus bekannten Gründen abgelehnten Titelbildentwurf kennen dürften. Aber auch dieses Motiv fand ab und zu seinen Platz als Wallpaper.

Mein derzeitiges Hintergrundmotiv wirkt dagegen absolut unspektakulär: Es ist eine historische, vergilbte Landkarte von 1866 - genauer gesagt: die 1866 angefertigte Reproduktion einer historischen Landkarte von 1692.

Sie zeigt jenen Ort in Neuengland, der H.P. Lovecraft als Vorlage und Inspiration für ein fiktives, von degenerierten Bewohnern bevölkertes Küstenstädtchen diente. Nun, diese Landkarte - auf besagtes fiktives Städtchen zurechtgeschnitten - kommt natürlich auch in meiner aktuellen Geschichte vor. Meine beiden Protagonisten tragen sie, nachdem sie diese in der Bibliothek einer ebenfalls sehr bekannten, ortsansässigen Universität entdeckt haben, mit sich herum. Die Story spielt zwar 1941, doch geht es in ihr um eine Indianerlegende, die bis in die Zeit des König-Philips-Krieges (1675-76) zurückreicht.

Die meisten werden es inzwischen ahnen: Bei dem aktuellen Projekt handelt es sich um meinen (längst überfälligen) Beitrag für die Anthologie ARKHAM - EIN REISEFÜHRER. Ursprünglich wollte ich ja aus Termingründen lediglich eine ältere, bisher unveröffentlichte Story überarbeiten, doch als meine Protagonisten literarisch in Arkham eintrafen, kam ich wieder auf den Lovecraft-Geschmack. So wurden aus 20 Seiten 40, und aus 40 bald 60 ...

Na ja, nun ist's eine Novelle geworden; eine Entdeckungsreise, in der ich sehr viel Wert auf den atmosphärischen Aufbau der Story gelegt habe. Natürlich hätte ich die gesamte Handlung auch im Schweinsgalopp erzählen können, das wäre kein Problem gewesen - nur nicht so schön. Warum zudem eine kurze Erzählung nicht in mein Konzept passte, werde ich demnächst in einer anderen Projektnotiz erklären.

An dieser Stelle allen einen guten Rutsch in ein hoffentlich friedliches und erfolgreiches neues Jahr! - Obwohl 2006 laut Bibel-Code eh alles übern Jordan gehen soll. Also vielleicht eher: Macht's gut, und danke für den Fisch? Warten wir's ab.

Ach ja, noch etwas Lustiges zum Jahresende: The politically incorrect alphabet, woher auch das animierte Gif oben stammt. Besucher der Seite sollten unbedingt die links abgebildeten Kartenmotive studieren, da sind "nette" Sachen dabei. Wäre ja vielleicht auch etwas für frisch gebackene Eltern und den Unterricht mit ihren Sprösslingen ...

 

20. Dezember 2005   ·   BRACHIALGIA NOCTURNA


E-Caveman

Antiviren-Tools sind klasse. In den Optionen einfach nur "Prozesse und Boot Sektoren durchsuchen und automatisch reparieren" anklicken, Tool starten, und gesund wird der PC. Dumm nur, wenn man sich dank metallverstärkter Handgelenksmanschette verklickt und statt "on virus detection repair" die Option "on virus detection delete" aktiviert. Das macht das Tool dann auch brav. So geschehen Ende November. Dumm auch, wenn sich irgendetwas Seltsames ausgerechnet im Boot-Sektor eingenistet hat. Denn was macht der "bereinigte" PC dann beim Neustart? Richtig, gar nix mehr ... mea culpa ...

Nun, nach langer Funkstille also wieder ein Lebenszeichen. Es war wirklich keine Schreibfaulheit, die mich vom PANORAMA ferngehalten hat, sondern mehr eine Form von Informationsüberdruss und intensiver Kommunikationsmüdigkeit.

Mir erschien es wichtiger, meine Energie in ein neues Projekt zu lenken, statt das nach wie vor lädierte Handgelenk in Blogs, Foren oder hier im Journal zu zerschreddern. Nun, kurz vor Jahresende, doch noch ein erstes Aufatmen und Entspannen. Nicht allein, weil mir gestern mit einem Anruf, auf den ich sage und schreibe seit August (!) gewartet (oder besser gesagt: gehofft) habe, ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk auf den Anrufbeantworter geflattert ist, sondern weil ich (ebenfalls gestern) zudem eine magische Grenze überschritten habe.

Ich möchte nicht nachzählen, wie oft ich in den vergangenen zwei Monaten in Mails und Telefonaten Fragen wie "Was ist den los?" oder "Was machst du eigentlich gerade?" beantwortet habe. Nun, nach der Sommerpause tat sich nicht viel. Als sich dann etwas tat, hatte ich keine Lust, über halbgare Sachen zu plaudern, und dann war es irgendwann so viel, dass ich nicht mehr wusste, wo ich anfangen sollte. Daher werde ich in den kommenden zwei, drei Wochen zumindest die spruchreifen Neuigkeiten posten. Weniger in den NEWS, dazu gibt es noch zuviel Theorie und zu wenig Konkretes, aber hier im PANORAMA. Vielleicht als Zyklus: Produktionsskizzen # 1-10, oder so.

Über das angesprochene Projekt, an dem ich momentan sitze, habe ich zumeist keinen kompletten Überblick. Das soll nicht heißen, dass ich keine Ahnung hätte, was ich da gerade tue, sondern dass es in mehrere Einzeldokumente aufgeteilt ist - die sich, um es vorwegzunehmen, irgendwann zu einem Episodenroman zusammenfügen werden, dessen einzelne Abschnitte in einem Zeitraum von 100 Jahren angesiedelt sind. Auch dazu in Kürze mehr. Seit Anfang der 1970er Jahre gelten aufgrund der Regeln für den Verleih des Hugo Gernsback- und des Nebula-Awards folgende Richtlinien: als Kurzgeschichte (Short Story) gelten alle erzählenden Texte unter 7.500 Wörtern. Eine Erzählung (Novelette) umfasst 7.500 bis 17.500 Wörter und eine Novelle (Novella) 17.500 bis 40.000 Wörter. Alle Texte über 40.000 Wörter zählen als Roman (Novel).

Nun, nachdem ich die bisher bestehenden Episoden und Episodenfragmente zusammengerechnet habe, konnte ich erfreut feststellen, dass der Roman seit gestern - zumindest zahlentechnisch - als solcher betrachtet werden kann. Derzeit liegt seine Länge bei rund 46.000 Wörtern - oder anders ausgedrückt: Ich habe Manuskriptseite 200 erreicht. Natürlich ist das ein wenig Augenwischerei, weil er ja noch einer großen Baustelle gleicht, aber es ist beruhigend zu sehen, dass ich fast die Hälfte des Buches geschafft habe.

Eigentlich wurde mir Ende Oktober von Arztseite her bis Jahresende "Arbeitsverbot" erteilt, nachdem der Befund bei einer Nervdurchmessung des rechten Arms und Handgelenks negativ ausgefallen war. Ein zu enger Nervenkanal (der Karpaltunnel) verursacht die seit Jahren immer wiederkehrende Entzündung der Nerven also auch nicht. Schade eigentlich, denn der lateinische Name des Karpaltunnelsyndroms hätte in Laienohren zu meinem derzeitigen Arbeitsrhythmus gepasst: brachialgia paraesthetica nocturna (spaßeshalber zu übersetzen in: Autor schreibt vorwiegend nachts und mit Gewalt).

Das "Durchmessen der Nerven" ist übrigens auch eine sehr "angenehme" Sache. Dabei wird dem Patienten (also mir) eine 10 cm lange Nadel von der Handkante bis in die Mitte der Hand durchs Fleisch geschoben, um anschließend minutenlang immer stärkere Stromstöße durch den Arm zu jagen. Lecker. Langer Rede kurzer Sinn: Ich dürfte eigentlich gar nicht tippen (rechtes Handgelenk liegt wie erwähnt auch in Stützmanschette). Ich tue es zwar trotzdem, aber mehr mit der linken Hand. Mit der rechten (bzw. dem kleinen Finger der rechten) kann ich immerhin die Taste zum Groß-Kleinschreiben drücken (was bei Antiviren-Tools NICHT klappt).

Brachialgia nocturna ... ;-))

 

10. November 2005   ·   AUSNAHMEZUSTÄNDE


Vamp Heute beginnt im französischen Nantes das 6. Internationale Science-Fiction Festival, besser bekannt unter dem Namen UTOPIALES. Zweimal durfte ich mich auf diesem SF-Kongress der Superlative bisher als Gast herumtreiben, in den Jahren 2001 und 2004. Aus naheliegenden Gründen bin ich jedoch keinesfalls unglücklich darüber, dieses Jahr nicht eingeladen worden zu sein. Zumal auch in Nantes ab heute wie in vielen anderen französischen Großstädten aufgrund der anhaltenden Ausschreitungen eine nächtliche Ausgangssperre in Kraft tritt. Jules Verne watches over the 6th edition, ist auf der Festival-Homepage zu lesen. Nun, als „Ghost of Honour” wird er da wohl auch einiges zu tun haben. Spiegel Online zeigte gestern Fotos mit Rauchsäulen über Nantes. Ich wünsche Organisatoren wie auch Gästen, alles möge halbwegs normal über die Bühne gehen ...

Ins Inland: An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön für all die Geburtstagsgrüße und -wünsche, die vergangenes Wochenende per Real-Post und E-Mail bei mir eintrudelten oder auf dem Anrufbeantworter und in diversen Foren „hinterlegt“ wurden. Ausnahmsweise hatte ich mich diesmal nicht in den eigenen vier Wänden verbarrikadiert und das Telefon abgeschaltet, sondern mich – einem 40. Geburtstag angemessen – bei den Untoten herumgetrieben. Bemerkenswerter Kongress-Einstieg nach dem Frühstück: Ein authentischer, bluttriefender Filmbericht übers Pfählen, bei dem es sogar hartgesottenen Horror-Autoren den Magen umdrehte ... Danke, Herr Doktor.

Thanx an Boris Koch und Kathleen Weise für Easy Going Gum, Frustschutzbärchen und Mutmarmelade, Malte für Haus und Hof (na ja, fast) und Uwe Vöhl für das erste Kerzenlicht-Geburtstagsfoto aus Heisenbergs Unschärfecafé (die Wahrscheinlichkeit, dass wir das sind, liegt bei 90 Prozent). Lustig war’s!

Ein kurzer Anflug von „Hölle auf Erden“ entstand für mich lediglich, als 150 teils gewandete Gäste des abendlichen Vampir-Balls plötzlich anfingen, Happy Birthday zu singen. Zum Glück war es recht dunkel, sodass man meinen hochroten Kopf nicht hatte erkennen können. Special Thanx daher an Ulrike Wyche für die Überraschung, und an Christiane-Luise Röder und Elisabeth Salzmann für das gelungene (wenn auch etwas schrille) Ständchen in Mezzosopran.

PS: Hang the DJ!

 

7. Oktober 2005   ·   SIX DAYS IN BERLIN


Don Vergangenen Samstag feierte die Berliner UFO-Buchhandlung mit einer kleinen, feuchtfröhlichen Party ihr siebenjähriges Jubiläum - für mich ein willkommener Anlass, um ein paar Tage den eigenen vier Wänden zu entkommen, Freunde zu besuchen, alte Bekannte zu treffen und neue Gesichter zu sehen. Zu letzteren gehören die Autoren Tobias O. Meißner und Markolf Hoffmann, zwei sympathische Zeitgenossen, die ich im Verlauf der Jubiläumsparty kennen lernen durfte - wobei unsereins gegenüber den Kollegen erst von der UFO-Crew "enttarnt" werden musste. Der Satz "Ach du bist das!" fiel auffallend oft. Unter anderem, nachdem ich unwissentlich Markolf Hoffmann gefragt hatte, ob er Markolf Hoffmann kennen würde ...

Sonntags einen der zahlreichen Flohmärkte Berlins zu besuchen, gehört fast schon zum Pflichtprogramm. Zumeist bin ich auf der Suche nach alten SF-Devotionalien oder Raumfahrtbüchern, die vor 1965 erschienen sind (und im Idealfall einen unterhaltsam illustrierten "Ausblick auf die Zukunft der Raumfahrt" beinhalten). Vergangenes Wochenende fiel mein Blick indes auf ein schweres, altes Buch mit rotem Einband, das halb versteckt unter einem Stapel historischer Fotos platziert war. Ich las den Titel, dann den Namen des Illustrators und konnte nicht anders, als es in die Hand zu nehmen und vorsichtig aufzuschlagen: vergilbte Seiten, Frakturschrift, der Geruch von altem Papier. Ich blickte auf eine ganzseitige, detailverliebte Radierung, umrahmt von Jugendstilverzierungen.
"Wieviel wollen Sie dafür?", fragte ich den Händler rein aus Interesse, bereits ahnend, dass der Band wahrscheinlich unverantwortbar teuer sein würde.
Es folgte die befürchtete Gegenfrage: "Wieviel würden Sie denn bieten?"
Um die Situation ein wenig aufzulockern, machte ich einen Ebay-Startgebot-Witz (1 Euro), was mein Gegenüber "höflich aber bestimmt" ablehnte.
Also Phase zwei: Zielloses Blättern in geschichtsträchtigen Seiten, um das Buch zumindest gut in Erinnerung zu behalten, in der Gewissheit, wenigstens darin geschmökert zu haben. Da der Besitzer erwartungsvoll dreinschaut, murmle ich (unter Zuhilfenahme eines ratlosen Gesichtsausdrucks) doch noch ein völlig verwegenes Angebot: "Zwanzig Euro?"
Ich hatte erwartet, dass mein Gegenüber abermals amüsiert auflachen, den Kopf schütteln und abwinken würde. Statt dessen schwieg er und blickte das Buch in meinen Händen an. "Sind Sie Liebhaber?", fragte er. "Mir gefallen die Illustrationen", wich ich aus. Er nickte, schwieg wieder eine Weile und sagte schließlich: "Okay."

Kurz darauf war ich stolzer Besitzer der 800-seitigen Jubiläums-Prachtausgabe von "Don Quijote" aus dem Jahr 1905, illustriert mit 120 zumeist ganzseitigen Radierungen von Gustav Doré.

Für zwanzig Euro …

Ha!

 

29. September 2005   ·   FUTTERNEID IM BÜCHERNEST?


Swarm Da in diversen Foren erwartungsgemäß schnell das Totschlagargument vom Futterneid aufgetaucht ist, sei mir ein kleiner Nachtrag zum Thema Schwarm-Marketing gegönnt.

Zunächst einmal: Hätte ich (falls denn alle Recherchequellen tatsächlich der Wahrheit entsprechen) so lange für ein Buch recherchiert wie Frank Schätzing, jahrelang an besagtem Text gearbeitet und das angesammelte Wissen nebst guter Story in einem derart umfangreichen Werk verarbeitet, würde ich zweifellos ebenfalls alles Werbemögliche in Bewegung setzen, um potentielle Leser davon wissen zu lassen und das Buch zu verkaufen. Die Zeit, die Schätzing für diesen Traum geopfert hat, war einfach zu wertvoll. Insofern kann ich einige der vergangenen Werbekampagnen für „Der Schwarm“ gut nachvollziehen und sogar gutheißen.

Was mich jedoch an der jetzigen Kampagne die Nase rümpfen lässt, ist die ganze Bigotterie, mit der sie in der völlig falschen Rubrik daherkommt, dieses verheuchelte „ach ja, wussten Sie eigentlich, dass Autor XY dies bereits in seinem Buch Z beschrieben hat?“. Zugegeben, der Buchmarkt wird immer härter, und da ist jede Hilfe von Medienseite Gold wert. Wer da als Autor mittlerweile auf eine kleine, im Laufe der Jahre angesammelte „Marketing-Privatarmee“ in Medien-Schlüsselpositionen zurückgreifen kann, die sich je nach Bedarf „anknipsen“ lassen, hat die besten Karten, um in der Masse der Veröffentlichungen hervorzustechen. Inwiefern ein Autor den Startschuss für derartige Erinnerungswerbung setzt, oder ob es „nur noch“ die Presseabteilung des Verlages ist, die agiert, sei dahingestellt.

Im Grunde ist die Delphin-Geschichte völlig banal und kaum der Rede wert, wäre sie nicht ausgerechnet auf einer der höchstfrequentierten Online-Medienplattformen Deutschlands erschienen. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass sie ohne Mithilfe des Autors entstanden und schlicht und ergreifend dem Impuls einer beeindruckten Schwarm-Leserin entsprungen ist, die vorteilhafterweise auch Spiegel Online-Reporterin ist; gediehen aus einer Mischen aus Helfersyndrom, Idolvergötterung und platter Mythenmacherei. Allerdings ist die Nähe zur Buchmesse und der TB-Veröffentlichung schon sehr verdächtig. Die wenigen „wörtlichen“ Statements, die von Schätzing in den Artikel eingestreut wurden, könnten von Frau Liebermann genauso gut aus diversen Interviews zusammengesammelt worden sein. Daran wäre weiter nichts auszusetzen. Was mich sauer aufstoßen lässt, ist, dass diese Werbekampagne unter dem Deckmäntelchen einer Katastrophen-Nachwehe in einer Wissenschaftsrubrik veröffentlicht wird und somit pseudoseriös daherkommt.

Manch einer erinnert sich vielleicht noch an den „Dieses Buch hat mir am Strand das Leben gerettet“-Leserbrief und die daraus resultierende Werbekampagne nach der Tsunami-Katastrophe, die von Schätzing und seinem Verlag Kiepenheuer&Witsch damals angeleiert wurde. Ich bin ebenfalls Autor und unterstütze konstruktive Buchwerbung, doch wie in allen Bereichen gibt es eine imaginäre Grenze, die allerdings jeder für sich selbst bestimmt – so, wie es Menschen (und Autoren) mit mehr oder weniger Skrupel oder Moralvorstellungen gibt. Bei Heuchelei reagiere ich allerdings überaus allergisch. Sie widerspiegelt etwas, das ich aus tiefster Seele heraus verabscheue. Und dazu zählt für mich u.a. die Delphin-Story.

In diesem scheinheiligen Topf der Selbstvermarktung findet man übrigens auch eine bekannte deutsche Fantasy-Autorin. Ihre Strategie: Einmalig zweimalig. Dabei lässt man sich – falls zur Hand – von der eigenen Zwillingsschwester für einschlägige Literaturmagazine interviewen und zeitlich unbegrenzt von der Werbeagentur selbiger hypen, in der Erwartung, dank unterschiedlicher (da eingeheirateter) Familiennamen merkt’s eh keiner.

 

27. September 2005   ·   FLIPPER UND DER ÖKO-NOSTRADAMUS


Frank Schätzing hat immer noch nicht genug geschwärmt. Wenige Wochen vor der Frankfurter Buchmesse werden bereits alle Register gezogen, um auf die baldige Veröffentlichung der Taschenbuchausgabe seines Bestsellers „Der Schwarm“ aufmerksam zu machen. Momentane Strategie: die Propheten-Taktik. Der Aufhänger: Im Golf von Mexiko sollen während des Hurrikans Katrina angeblich 36 Kampfdelphine entkommen sein. Wer hat's natürlich mal wieder vorher geahnt: Herr Schätzing. Bereits nach der Tsunami-Katastrophe hätte er seine Schwarm-Hardcover am liebsten als Schwimmflügel verkauft. Und nun Killerdelphine. Spiegel-Reporterin Silvia Liebermann ist zumindest schwer beeindruckt über die prophetische Weitsicht Schätzings, der „ein ähnliches Szenario“ offenbar auch in seinem Bestseller beschrieben hat.

Ihr heute erschienener Artikel „Rätsel um Kriegsdelphine“ ist auf den ersten Blick nur einer von unzähligen in der Sammelrubrik „Hurrikan Katrina“. Dass es in besagtem Artikel bei genauerer Lektüre gar nicht um die vermeintlich ausgebüchsten Delphine (und schon gar nicht um Hurrikan Katrina) geht, sondern die angeblich mit Neuroimplantaten versehenen Sprengstoff-Flipper nur für Propagandazwecke herhalten müssen, um die Taschenbuchausgabe des Buches zu promoten, wirkt reichlich peinlich. So darf der Hellseher aus Köln auch offen gestehen, dass er es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für möglich halte, dass es (marketingtechnisch) ganz gut passen würde, wenn es eventuell so wäre ...

Wir warten gespannt auf die ersten explodierenden Taucher.

 

24. September 2005   ·   VIER HARTE, VIER WEICHE UND EINE TÜTE KIES ...


Vor einigen Wochen geisterte die Meldung über die Entdeckung eines zehnten Planeten durch die Medien. Etwas zu vorschnell, wenn auch nicht ganz unberechtigt. Schließlich war das entdeckte Objekt fast doppelt so groß wie Pluto. Doch der Internationalen Astronomischen Union (IAU), die für die Namensgebung von Sternen und Planeten zuständig ist, war es offenbar ein paar Kilometer zu weit weg. 2003 UB313, wie der Himmelkörper weiterhin bezeichnet wird, ist der Sonne fast 100 Mal ferner als die Erde.

Da im Kuipergürtel jenseits der Neptunbahn in den vergangenen Jahren mehrere große Himmelskörper entdeckt wurden, kam es zwischen Astronomen immer wieder zum Streit darüber, was als Planet bezeichnet werden darf und was nicht. Ein 19-köpfiges Expertengremium soll nun für Klarheit sorgen und die Benutzung des unscharfen Begriffs „Planet“ neu regeln, berichtet Spiegel Online unter Berufung auf das Wissenschaftsmagazin "Nature". Besagtes Gremium schlägt vor, künftig von Erdplaneten, Gasgiganten oder Transneptunen zu sprechen.

Der Begriff Transneptun ist allerdings nicht unbedingt glücklich gewählt. Ginge es nach Alan Stern vom Southwest Research Institute in Boulder, dürften planetare Objekte nicht über ihre Position definiert werden. UB313 oder Pluto sollten daher besser Eiszwerge genannt werden; dies sage viel mehr über diese Objekte aus. So oder so wird UB313 früher oder später einen „regulären“ Namen erhalten, wie seine Vorgänger Sedna, Varuna, Quaoar oder auch Pluto. Um dem Gremium gerecht zu werden und den Namen zum Programm zu machen: wie wäre es denn mit Barney Geröllheimer?

Zum Artikel auf Spiegel Online.

 

22. September 2005   ·   END OF AGES


End of Ages Heute erscheint mit END OF AGES der von mir herbeigesehnte fünfte Teil der genialen MYST-Saga. Entwickelt wurde er von den Schöpfern des ersten MYST-Teils und baut die Serie, die als Quintessenz aller Adventure-Spiele gilt, weiter aus. Gleichzeitig stellt END OF AGES leider auch das finale Kapitel der Serie dar, was mich als Spieler der ersten Stunde natürlich sehr traurig stimmt. 1993 erschien der erste Teil der Saga und entwickelte sich binnen kurzer Zeit zum Überraschungserfolg. 1997 folgte die 5-CD-Mammut-Episode RIVEN, für viele MYST-Spieler aufgrund seiner Komplexität der Teil der Saga schlechthin. Mein persönlicher Favorit ist bisher jedoch der 2001 erschienene dritte Teil namens EXILE. Im Jahr 2003 folgte das Experiment URU – AGES BEYOND MYST, welches vom Clickpoint-Konzept abwich und den Spieler mit einer TOMB RAIDER-Steuerung und interaktiven Multiplayer-Add-Ons auf der Online-Plattform URULIFE verwirrte. Das Spiel wurde trotz innovativer Echtzeit-3D und musikalischer Unterstützung von Peter Gabriel nur sehr widerwillig akzeptiert. Insofern markierte URU aufgrund rückläufiger Verkaufszahlen bereits den Anfang vom Ende der MYST-Saga. Mit dem hervorragenden MYST IV – REVELATION kehrte man schon 2004 zum ursprünglichen Konzept der Spiele zurück, doch es war zu spät.

Bereit im Vorfeld der heutigen Veröffentlichung von MYST V - END OF AGES war vor einigen Wochen auf diversen Foren und Newsportals zu erfahren, dass die legendäre Spieleschmiede Cyan Worlds Zahlungsschwierigkeiten hat und daher fast alle Mitarbeiter entlassen musste. Über 12 Millionen Mal wurden die bisher erschienenen fünf Teile der MYST-Saga weltweit verkauft, und END OF AGES wird diese Bilanz zweifellos noch einmal um mehrere Millionen Exemplare verbessern. Dennoch: Auf einer FAQ-Seite für den MYST-Ableger URU, der von den Fans seinerzeit sehr zwiespältig bewertet wurde, heißt es, die Entwickler hätten keine Financiers für zukünftige Projekte gefunden und könnten die Schulden an Ubi Soft nicht zurückzahlen. Deshalb habe Cyan bis auf Tony Fryman und den Firmenmitbegründer Rand Miller alle Mitarbeiter entlassen. Schade, wirklich! Dennoch: Danke für zwölf schöne Jahre, in denen man in das wundervolle MYST-Universum eintauchen und anspruchsvolle Rätsel lösen durfte, um zauberhafte, magische Welten zu erforschen.

Auf der Cyan-Website findet man noch ein Abschiedsfoto der MYST-Schöpfer.

 

17. September 2005   ·   BLUMEN AUS DEM HÜLSENWALD


E-Mail vom 15.09, 23:05 Uhr. Betreff: Viele Grüße aus Hollywood.

Lieber Herr Marrak,

ich bin 3D-Artist und arbeite bei EdenFX. Wir machen sämtliche Special Effects für Star Trek Enterprise. Zumindest haben wir das, bis das ganze Star Trek Imperium im April zusammengebrochen ist.

Ich wollte Sie beglückwünschen zu der Kurzgeschichte "Die Ausgesetzten". Das war bei weitem das am besten recherchierte Stück SF, was mir seit langem untergekommen ist. Eine geniale Überleitung von Fakten zu Fiktion, nahtlos und absolut glaubwürdig. Und das überraschende Finale, mit seinen endlosen Möglichkeiten das weiterzuspinnen - eindeutige Weltklasse. Im Grunde wollte ich daher nur nach einer englischen Version der Story googeln, als mir Ihre Homepage entgegenflatterte. Ihr Panorama habe ich mit Begeisterung verschlungen.

"Die Ausgesetzten" hat mich so zum Grübeln angeregt, dass ich die Geschichte am Liebsten meinen Kollegen gezeigt hätte - weil sie eine so grundplausible Erklärung für das Entstehen der Borg abgegeben hätte.

Wir haben uns hier bei EdenFX immer geärgert über die Screenwriter, die jede Woche mit einem noch belangloseren Script ankamen als die Woche zuvor. So viele vertane Chancen, das Star Trek Universum mit der Jetztzeit zu verweben. Stattdessen komplett ideenlose Handlungsstränge, die sich nur mit Biegen und Brechen an die Original-Serie anknüpfen ließen. Einfach Schade. Ich kann nur sagen: Wenn man da mal lieber Sie angeheuert hätte, ginge Enterprise jetzt in die fünfte Staffel.

"Imagon" werde ich mir als nächstes zu Gemüte führen. Unter anderem auch aus beruflichem Interesse, denn das ist die nächste Welle von FX-lastigen TV-Serien: Äonenalte Tiefseemonster die sich als außerirdische Invasoren entpuppen. Da haben wir gleich zwei Serien von, eine dritte mussten wir an eine andere FX-Firma abgeben (dort kommen die Invasoren allerdings aus einer anderen Dimension.)


*    *    *

Nun, hinter E-Mails, die mich aus Übersee erreichen, vermute ich prinzipiell zuerst jemanden, der sich aus dem Urlaub heraus einen Scherz mit mir erlaubt. So ging es mir bereits Mitte 1999, als mich eine Mail aus China (genauer: aus Shanghai) erreichte, in der ein gewisser Shiliang Da anfragte, ob er eine oder zwei meiner Kurzgeschichten für eine SF-Anthologie ins Chinesische übersetzen dürfe (was dann ja auch passiert ist).

Und nun Hollywood. Ausgerechnet Hollywood. Und dann auch noch aus einem der bekanntesten FX-Studios, welches sich u.a. für die Special Effects in Filmen wie Hellboy, Akte X, Passion of Christ und die erwähnte Star Trek: Enterprise-Serie verantwortlich zeigt. Das macht Staunen. Mein erster Gedanke: Wer in Los Angeles liest denn um Gottes Willen "Die Ausgesetzten" - und das auf deutsch? Die erste Vermutung: Der Verfasser hat die Story beim Surfen zufällig bei Epilog.de gefunden und online gelesen. Des Rätsels Lösung ist hingegen banal: Er ist gebürtiger Deutscher, lebt und arbeitet in Kalifornien, macht jedoch zweimal im Jahr "Heimaturlaub" und deckt sich bei dieser Gelegenheit mit SF-Lesefutter ein. Beim letzten Mal offenbar mit dem Marrak-Back Catalogue. Das ehrt mich. Bin gespannt, ob der eine oder andere literarische Schnipsel aus den Büchern seinen Weg in eine der neuen Serien findet ...

Interessant auch, einmal direkt aus einem der Studios etwas über die Gründe des Scheiterns der Enterprise-Serie zu hören. Mal abgesehen von der zweiten Staffel, die wirklich zu einer Weltraum-Soap verkommen war, gefiel mir ST-Enterprise von allen Serien nach TNG am besten. Schade, dass die Zuschauer das neue Konzept nicht akzeptiert haben - was allerdings in der Tat auch an der chronistischen Inkonsequenz in der Serie lag. Statt tatsächlich ein VORHER zu zeigen, wurde Altbewährtes (die Borg, usw.) verwurstet. Zudem gab es den selben Konflikt, wie er in den Star-Wars-Prequels zu erkennen war: Die ST-Enterprise-Vergangenheit wirkte fortschrittlicher und optisch weiter entwickelter als die eigentliche "Zukunft" der Classic-Serie. Gut, es lagen über 30 Jahre dazwischen, aber der Anachronismus war unverkennbar.

Was übrigens die interpretierte Entstehung der Borg betrifft: So hat das ehrlich gesagt bisher noch niemand ausgelegt. Aber mit ein wenig Fantastie ... Ja, könnte sogar hinkommen. Es wäre allerdings ein frappierender Urknall für das Borg-Universum: Der Gott der Borg - ein galaktischer Müllschlucker! Wow!

 

15. September 2005   ·   BLOGSPHÄRE = VOGSPHÄRE?


A Parallax View Neben dem unsäglichen Werbetrommelgerühre für die bevorstehende Bundestagswahl beherrscht derzeit der Begriff „Blog“ die Medien. Blogger waren es, die während der Hurrikan-Katastrophe in New Orleans wegen ihrer ungefilterten Berichterstattung für Schlagzeilen sorgten – oft gar so lange, bis die Hauswände um sie herum davonflogen. Vor vier Jahren, nachdem die Twin-Towers eingestürzt waren und die westliche Welt im kollektiven Schockzustand auf New York starrte, zitierte die Presse Auszüge aus den Weblogs von Moby sowie anderen namhaften Künstlern und Musikern und vermittelte dabei eine große (und wahrscheinlich sogar ehrliche) Bewunderung für diese der Allgemeinheit zugänglich gemachten, zutiefst persönlichen Gedanken. Die Renaissance der bis vor wenigen Jahren noch milde belächelten Tagebuchschreiber und ihrer Tagebücher begann - im elektronischen Gewand – unmittelbar nach den Anschlägen auf das WTC. Das Internet-Portal Spiegel-Online veröffentlichte dereinst fast täglich Auszüge aus dem Moby-Weblog – nicht ohne zu erwähnen, wie wichtig dieses Medium wäre und wie intelligent die Beiträge seien.

So zynisch es klingen mag, doch offenbar sind es tatsächlich Katastrophen, die innovative Entwicklungen auslösen. Mittlerweile sind Blogs oft aktueller und um Stunden näher am Puls der Zeit als einschlägige TV- und Rundfunksender. So ist es nicht verwunderlich, dass allein gestern zwei längere Artikel über Weblogs und das Bloggen auf Spiegel-Online auftauchten.

Selbstverständlich geht es in einem von beiden um sogenannte Wahlblogs. Ja, irgendwas war da, kommenden Sonntag, oder so ... „Cthulhu gegen den Roten Tod“, wie es ein Mitglied auf dem Horror-Forum amüsiert formulierte. Wegen des TV-Duells der beiden hatten wir sogar den Live-Chat verschoben, der für den 4. September im Horror-Forum mit mir geplant war. „Heute schon ein politisches Blog gelesen?“, fragte Spiegel-Online-Redakteur Frank Patalong gestern zu Beginn seines Artikels. Und fügt umgehend hinzu: „Falls nicht, gehören Sie zur absoluten Mehrheit der deutschen Internet-Nutzer.“

Tja, fragt sich wie lange noch? „Webtagebücher (Weblogs, kurz Blogs) gelten als eines der dynamischsten Internetphänomene“, informierte Spiegel-Online-Redakteur Thomas Hillenbrand die Leser im zweiten Weblog-Artikel des gestrigen Tages. Und weiter: „Die größte Blog-Suchmaschine Technorati indexiert zurzeit etwa 16,5 Millionen Seiten." Der Google-Unternehmensgründer David Sifry geht davon aus, dass jede Sekunde ein neues Webtagebuch hinzukommt. Seine Prognose: In den kommenden fünfeinhalb Monaten werde sich die Zahl der Blogs im Netz verdoppeln!

Nun, wie soll man sich auf eine derartige Entwicklung einstellen? Warten und hoffen, bis es irgendwann so viele Weblogs gibt, dass alles kollabiert - oder die Stimmen von zig Millionen Bloggern sich in ein nicht weiter störendes Hintergrundrauschen verwandeln?

Weblogs, so ist im Online-Lexikon Wikipedia zu erfahren, sind vergleichbar mit Newslettern oder Kolumnen, jedoch persönlicher - sie selektieren und kommentieren oft einseitig und werden deswegen auch mit Pamphleten des 18. und 19. Jahrhunderts verglichen. Vorgestern war so eine Aussage Wasser auf meine Mühlen. Bei meinem Besuch im Dienstags-Chat des SiFi-Boards kam es daher auch unweigerlich zu einer Pro- und Contra-Diskussion über Weblogs. Es entstünde unaufhaltsam ein Marktschreier-Universum, stichelte ich. „Klar gibt es Stuss, wo Leute von ihrem belanglosen Alltag erzählen“, entgegnete mir ein Chatter auf meine halbherzige Hass-Tirade, „aber es gibt auch echte Blog-Kronjuwelen.“ Und ein anderer fügte hinzu, dass Markolf Hoffmann mich und das PANORAMA schließlich in seiner Kolumne für Lorp.de erwähne, in der er lesenswerte Phantastik-Blogs vorstelle. (Zitat aus besagtem Artikel: Marraks erfrischende Seitenhiebe auf den Buchmarkt und die Phantastikszene ermöglichen einen hochinteressanten Einblick in den Schriftstelleralltag.) Tja, wenn doch der wirkliche Alltag für mich auch nur halb so interessant wäre ...

Die Gesamtheit aller Weblogs, so erfährt man, wenn man nach dem Begriff „Blog“ googelt, bildet die Blogosphere, auch Blogsphäre genannt. Bin ich eigentlich der einzige, der dabei unweigerlich an den düsteren Vogonen-Planeten Vogsphäre denken muss? Und schon wieder drängt sich ein Vergleich auf zwischen vogonischer Dichtkunst und der Geistesarmut vieler Weblogs. „Schwafelkosmos“ nennen viele Blogger scherzhaft ihr neues Universum. Nomen est (hoffentlich nicht) omen ...

Nun, mein Journal ist offensichtlich unumkehrbar als Blog stigmatisiert. Einbahnstraße. In den vergangenen Wochen ertappte ich mich daher immer öfter dabei, das PANORAMA zu ignorieren - oder besser gesagt: mich dem Medium „Weblog“ zu verweigern. Der Grund mag sich für viele ein wenig skurril anhören und ist, wie ich jetzt feststelle, gar nicht so einfach in Worte zu fassen: Ich wehrte mich innerlich schlicht und ergreifend gegen die Auffassung, beim PANORAMA handele es sich um ein Blog. Ich empfand den Stempel „Blog“ als aufgezwungen und mediumsverzerrend, als leichtfertig zu verwendender Überbegriff, der alles absorbiert, was im Web einst als Tagebuch, Journal oder News-Seite begann. Der Begriff „Blog“ besitzt in meinen Augen immer noch etwas Abwertendes, Entwürdigendes, wie einst der begriff „Punk“, mit dem alles stigmatisiert wurde, was vor 25 Jahren irgendwie gesellschaftlich aus der Reihe fiel und trotzdem noch auf zwei Beinen laufen konnte.

Ich persönlich betrachte das PANORAMA nach wie vor als Journal, als Plattform, um hin und wieder ein paar Dinge zu erzählen, die nicht unbedingt in die News gehören, und das manchmal nur ein oder zweimal im Monat - aber nicht jeden Tag! Doch genau dies erwarten viele Blog-Leser: dass jeden Tag geblubbert wird, ob gehaltvoll oder nicht. Diese Erwartungen kann ich nicht erfüllen – und genau das war es, was mich paradoxerweise vom PANORAMA fern hielt.

Vor zwei Tagen war ich erstmals seit knapp drei Wochen wieder auf meiner Homepage und las einige der frühen Tagebuch-Einträge. Das erste, was mir dabei auffiel: Das PANORAMA feiert diesen Monat sein zweijähriges Jubiläum! Die ersten (offiziellen) Beiträge erschienen im September 2003. Eigentlich hätte es weitaus früher - im April 2003 - freigeschaltet werden sollen, doch dies scheiterte seinerzeit an der beruflichen Auslastung meines ehemaligen Webmasters. Aus diesem Grund flossen die frühesten Beiträge in damalige News-Meldungen mit ein. Das zweite, was mir beim Lesen auffiel, war die Tatsache, dass ich mich endlich mal um ein ansehnliches Archiv-System kümmern sollte. Mit den Ausdrucken der derzeitigen Seite könnte jeder Leser sein Wohnzimmer tapezieren: Man kann an einem Stück hinunterscrollen bis zum ersten Beitrag im Januar 2004 ...

Der Augenblick, in dem ich registrierte, dass das PANORAMA zu starr war, ließ mich zugleich einsehen, dass ich es nicht aufgeben durfte. Doch einige Dinge, so wurde mir bewusst, mussten sich grundlegend ändern. Ich habe mir in den vergangenen Wochen viele Gedanken darüber gemacht, wie es weitergehen könnte. Bisher funktionierte das PANORAMA als geschlossenes System. Als abgekapselte Insel. Die einzige Möglichkeit, auf einen Beitrag Bezug zu nehmen, sprich: Feedback zu erhalten, bot sich Lesern per E-Mail. Auch ein von Hand per HTML-Editor verwaltetes Archiv-System ist lästig und zudem anachronistisch.

Aus diesem Grund bin ich über meinen eigenen Schatten gesprungen und habe auf www.blogger.com eine Art PANORAMA-Kolonie gegründet: Das externe Weblog A Parallax View. Bis zum Jahresende 2005 werden beide Logs parallel laufen, mit identischen Inhalten (ab heute). Allerdings bietet das Parallax-Weblog den Lesern bequeme Möglichkeiten, auf Einträge Bezug zu nehmen und diese gegebenenfalls zu kommentieren. Zudem ist dort alles aufgeräumter und übersichtlicher, denn die Blog-Engine hält Ordnung (hoffe ich).

Ab 1. Januar 2006 integriere ich das externe Weblog schließlich in die Marrak.de-Seite, woraufhin die Parallax View das bisherige PANORAMA ablösen wird - mit allen Vorteilen eines modernen Weblogs. Ein sanfter Übergang ins 21. Jahrhundert sozusagen. Und bis dahin werde ich es hoffentlich auch geschafft haben, einige Vorurteile gegen Blogs abzulegen – und zudem alle PANORAMA-Einträge des Jahres 2004 zu separieren.

 

9. August 2005


black summer hole Eines der interessantesten Wochenenden des Jahres liegt hinter mir. Seit Freitag Nachmittag herrscht grauer Himmel und Dauerregen. Genau so lange sitze ich bereits über der verbummelten Einkommensteuererklärung für 2004, sortiere fitzelige Thermodruck-Kassenzettel, plaudere mit meinem Steuerberater über Maisfeld-Labyrinthe und verbrachte über fünf Stunden damit, den seit Monaten unter Papierbergen verschollenen Kontoauszug Nr. 10 zu suchen.

Spaß und Spannung ohne Ende ...

 

1. August 2005


Wieder online ... Manchmal bringen Computerviren trotz allen Ärgers auch ein wenig Gutes mit sich: Die Festplatte ist nach dem Neuformatieren wesentlich flotter als zuvor, das Dateisystem nach dem Re-Installieren des Betriebssystems und dem Wiederherstellen der meisten Programme und Ordner wesentlich aufgeräumter und der Desktop übersichtlicher ...

Das war's dann auch schon mit den Vorteilen. Seit Donnerstag vorletzter Woche bin ich damit beschäftigt, die Wichtigsten der geretteten Daten wieder auf Festplatte zu ziehen. Der Internetrechner diente gleichzeitig auch der Recherche und war zudem der Rechner, mit dem ich alle Grafik-Arbeiten erledigt hatte, alle Bilddateien, Homepage-Verwaltung, usw. Auf sechs CDs verteilt befinden sich nun (hoffentlich) alle Cover und Wallpaper der letzten zwei Jahre, und die Skizzen und Schaubilder für das Computerspiel. Kam bisher noch nicht dazu, die CDs komplett zu kontrollieren. Na ja, soweit die Story vom Pferd.

Da das Sommerloch seinem Namen mittlerweile gerecht wurde, passierte in den vergangenen zwei Wochen (zumindest innerhalb der Wohnung) auch nichts wesentlich Neues. Keine News - aber blöderweise auch noch nicht die noch ausstehenden Honorare, da alle Auftrag- und Geldgeber im Urlaub sind. Wobei, eine interessante Neuigkeit gibt es ja, und zwar für die IMAGON-Leser: Die lieben Herren Astronomen haben endlich den zehnten Planeten entdeckt; 14,5 Milliarden Kilometer von der Erde entfernt und mit ca. 3000-4000 Kilometern Durchmesser weitaus größer als Pluto. Als typisches Kuiper-Gürtel-Objekt trägt er bisher noch keinen Götternamen, sondern lediglich eine Nummer: 2003 UB313. Von mir aus dürfen sie ihn später aber gerne Yuggoth nennen ...

Einige erinnern sich vielleicht: Bereits im März 2004 wurde im Kuiper-Gürtel ein etwa halb so großes (Zitat NASA) "ungewöhnliches solares Objekt" entdeckt. Bei dem - ausgerechnet! - nach der Inuit-Meeresgöttin Sedna benannten Gebilde handelt es sich um einen zirka 1.700 Kilometer Durchmesser umfassenden Kleinplaneten, der derzeit etwa 13 Milliarden Kilometer von der Erde entfernt sein soll. Zum Vergleich: Plutos Durchmesser beträgt 2.274 Kilometer.

 

19. Juni 2005


no brain Zu Zeiten meines Grafikstudiums klebte an einigen Monitoren des Computerraums ein handgezeichnetes Schild mit der Aufschrift: Vor Inbetriebnahme des Computers bitte Gehirn einschalten!

Jener Mensch, der kurz vor Drucklegung von MORPHOGENESIS die (in bester Druckschrift geschriebenen) Korrekturen des Lektorats in die Satzdatei übertrug, hätte diesen Hinweis zweifelsohne gebrauchen können. Selbst die Lübbe-Lektoren äußerten mir gegenüber am Telefon die Vermutung, dass der verantwortliche Setzer wohl "einen heftigen Kater gehabt haben müsse", als er sich an die Übertragung der Korrekturen gemacht hatte. Meine Frage, ob die betreffenden Leute dort eigentlich bei der Arbeit mitdenken würden, beantwortete Lübbe mit: "In der Regel sicher nicht ..."

Unter dem Strich gesehen sind die neuen Wortkreationen, die in MORPHOGENESIS zu bewundern sind, nicht wirklich schlimm, aber dennoch sehr ärgerlich, da sie auf Schlamperei (oder Unvermögen) zurückzuführen sind. In der SF-Szene hält sich hartnäckig das Vorurteil von der "Lübbe-Rechtschreibung". Daher möchte ich darauf hinweisen, dass in diesem Fall weder ich als Autor noch Lübbe (bzw. das Lektorat als solches) versagt haben, sondern die Satzagentur in Düsseldorf. Da mir die Lektoratsfahnen vorliegen, muss ich gestehen, dass man sich als Setzer schon sehr dumm anstellen muss, um derart daneben zu tippen - zumal bei fast allen Fehlern die expliziten Anweisungen von Lübbe missachtet wurden, was auf Eigenmächtigkeit schließen lässt. Leider gab es aufgrund des engen Drucktermins keine Zeit mehr, die "korrigierte" Datei ein zweites Mal gegenlesen zu lassen. Daher nachfolgend für alle Leser und Rezensenten eine kurze Liste, ehe (wie ich es aus früheren Besprechungen kenne) sich der eine oder andere wieder an derartigen Dingen festbeißt.

•  Den ärgerlichsten Satzfehler habe ich bereits vor kurzem hier im PANORAMA erwähnt: statt Nekropalladium (was frei übersetzt "totes Heiligtum" bedeutet) tragen die Kapitel des Haupthandlungsstranges den sinnfreien Titel Mekropalladium. Dass es nicht allein ein Vertipper ist, beweist das erste dieser Kapitel: Dort, auf Seite 16, steht tatsächlich Mekropalladadium! Darauf musste mich selbst erst Ruggero Leo aus dem Lübbe-Lektorat aufmerksam machen. Auf Seite 243 ist die Kapitelheadline übrigens noch so zu bewundern, wie sie ursprünglich aussah, da der Setzer es nicht geschafft hat, tatsächlich auch alle Headlines zu "verbessern". Man sieht: Ursprünglich stand da tatsächlich Nekropalladium. Der gute Mann hätte einfach nur die Schriftformatierung ändern müssen. Aber nein ...

•  Wie man aus einem Golem allerdings einen Qdem machen kann, ist mir schleierhaft ("Mein treuester Qdem", Seite 398). In der Korrekturfahne steht groß und deutlich Golem.

•  Ein dickes Sorry geht an Hardy Kettlitz. Hier hat es der Setzer in der Danksagung tatsächlich geschafft, die ergänzende Einfügung des Lektorats als Howdy Kettlitz zu übertragen. Welcher Mensch heißt denn in Gottes Namen Howdy? Zum Glück konnte Hardy darüber lachen ...

•  Auf Seite 197, letzte Zeile, muss es heißen: "ein Gefangener an diesem Ort ohne Zeit" (nicht "Ort oder Zeit"). Auch hier hätte die handschriftliche Änderung gar nicht deutlicher geschrieben werden können.

Alle übrigen Fehler fallen einem Leser, der die Korrekturfahnen nicht zum Vergleich neben sich liegen hat, gar nicht als solche auf, daher möchte ich es bei den oben aufgezählten belassen. Sicher, es sind Schnitzer, wie sie fast immer in Erstauflagen zu finden sind. Warum ich trotzdem Wert darauf lege, sie aufzulisten? Als vor drei Jahren die Lübbe-Ausgabe von LORD GAMMA erschien, hatte sich ein ähnlicher Fehler in den Text eingeschlichen, der ebenfalls einer handschriftlichen Vorlage zugrunde lag. Für mich war es damals nicht mehr als ein Flüchtigkeitsfehler gewesen, doch es gab einen Rezensenten, der sich an ihm aufgehenkt und ihn als "unglaubliche Peinlichkeit" eines unfähigen Autors dargestellt hatte.

Das corpus delicti war eine mathematische Formel: Æ = 0,25 τ ² + 0,25 τ . Da die handschriftliche Vorlage damals nicht gerade deutlich geschrieben war, tippte ich statt der korrekten Formel die Version Æ = 0,25 τ 2 · 0,25 τ . Nur weil ich also die 2 nach dem Tau-Zeichen nicht hochgestellt und ein Mal- statt einem Pluszeichen verwendete hatte, hielt der Rezensent in seiner Besprechung über mehr als eine halbe A 4-Seite u.a. einen mathematischen Vortrag über Sinn, Zweck und korrekte Anwendung dieser Formel und war von seiner Erläuterung offenbar dermaßen eingenommen, dass er seine Rezension gleich an drei oder vier verschiedene Phantastik-Magazine verschickte.

Aber um die Kurve zu kriegen und zu MORPHOGENESIS zurückzukommen: Das Buch selbst ist wirklich sehr schön geworden, im Gegensatz zu IMAGON ein wahrer Blickfang in den Regalen der Buchhändler. Ich liebe die warmen Farben des Covers und die leicht fusselige Art des Titelbildes. Lediglich das Papier, auf dem das Buch gedruckt wurde, hätte eine Spur stärker sein können. Da ich mir für das Signieren diesmal ein besonderes Gimmick ausgedacht habe, hoffe ich, dass das Papier nicht zu dünn ist ...

 

29. Mai 2005


Tick Tack ISDN ist praktisch. Hat jemand versucht anzurufen, ohne auf den Anrufbeantworter zu sprechen, kann man dank des Nummernspeichers kontrollieren, wer es war. Die Telefonnummer von Lübbe im Speicher zu entdecken, macht mich in der Regel neugierig, vor allem kurz vor Erscheinen eines neuen Romans. Unmittelbar nach dem Aufstehen besagte Telefonnummer gleich vier Mal hintereinander abrufen zu können, lässt allerdings eine Alarmsirene in meinem Kopf aufheulen. Richtig interessant wird es schließlich, wenn der Lektor das Gespräch dann tatsächlich mit den Worten "Ich habe eine schlechte Nachricht für dich" beginnt ...

Von Freunden und Bekannten, die als Autoren oder Verleger tätig sind, kommen einem hin und wieder gar grausige Geschichten zu Gehör. Zu den interessanteren zählen beispielsweise, dass eine Druckerei Cover und Backcover miteinander vertauscht hat. Oder dass die Innenseiten kopfüber eingeklebt wurden. Oder auch, dass die Schriftformatierung verloren ging und das gesamte Buch daher in der klassischen Schreibmaschinenschrift Courier gedruckt wurde. Bei einem Großteil der bei Heyne erschienenen "Hyperion"-Hardcoverauflage von 1997 fehlt die letzte Romanseite. In diversen Taschenbüchern findet man Leerseiten, oder man stößt auf völlig "verquirlte" Exemplare, in denen die Seiten ab Buchmitte plötzlich rückwärts eingeordnet sind oder Druckbögen doppelt eingeheftet wurden, während andere fehlen. Oder unter dem Titel steht aus unerfindlichen Gründen nicht mehr Michael Marrak, sondern Wolfgang Hohlbein …

Nun, ganz so schlimm ist es bei MORPHOGENESIS nicht. Das Buch liegt seit gut zwei Wochen gedruckt im Verlag und sieht laut Lektor "super aus" (das Cover in Mattdruck, nur die Roboterfigur mit der Uhr und der Schriftzug glänzen). Aus für den Verlag unerfindlichen Gründen hat sich jedoch kurz vor Druck jemand in der Satzabteilung trotz eindeutiger Vorgaben genötigt gefühlt, doch noch mal an die Formatierung gehen zu müssen und eine durchgehende Kapitelheadline von Hand neu einzugeben. Es folgte, was in so einem Fall unweigerlich folgen musste: er/sie hat sich vertippt. Nun steht als jeweilige Kapitelüberschrift des Haupthandlungsstrangs nicht mehr Nekropalladium (1-28), sondern Mekropalladium, was nicht nur blöd aussieht, sondern auch keinen Sinn mehr ergibt. Also für alle zukünftigen Rezensenten, die das hier lesen: So, wie es im Inhaltsverzeichnis des Buches geschrieben steht, stimmt es. Es heißt Nekropalladium! Und ich hoffe, es ist der einzige Fehler geblieben.

Betroffene wie ich greifen angesichts einer derartigen Neuformulierung natürlich sofort zu Google. Laut Suchmaschine ist Mekro a) eine polnische Investmentfirma, b) eine Schlosserei und Schweißerei bei Bonn, und c) ein österreichischer Internet-Handelspark für Restposten. Na dann, czesc, pfiat di und baba.

 

13. Mai 2005


U-Bahn Freitag, der 13! - Das perfekte Datum für einen neuen Panoramaeintrag. Seit zwei Wochen bin ich zurück aus Dänemark, und seit einer Woche kann ich auch wieder schmerzfrei laufen - nachdem ich mir in Kopenhagen irgendeine Art "dänisch-extraterrestrische Tropeninfektion" zugezogen hatte, die vorzugsweise linke männliche Unterschenkel befällt. Ich vermutete zuerst einen Floh auf Acid, oder eine besonders beißwütige Spinne, doch der in Deutschland konsultierte Krankenhausarzt hielt es für eine Allergie. (Originalzitat Arzt: "So etwas habe ich noch nie gesehen." Ich: "Oh, klasse! Und was jetzt?" Arzt: "Ich verschreibe Ihnen mal Cortisonsalbe ...") Na ja, vielleicht bin ich ja bloß allergisch gegen Sporen aus dem Weltraum. Das Ganze sah im Extremstadium aus, als hätte mir jemand zweimal mit einer Schrotflinte ins Bein geschossen. Nachdem meine Wade das gesamte Farbspektrum von Gelb, Rot und Blau bis Violett durchgemacht hatte, wirkt nun alles wieder halbwegs normal. Mal sehen ob ich demnächst Spinnfäden aus den Handgelenken schießen kann ...

Kopenhagen selbst entpuppte sich als eine der modernsten, freundlichsten und tolerantesten Städte, in denen ich bisher zu Gast war. Schon allein die Fahrt in der erst 2003 fertiggestellten, futuristisch anmutenden und vollkommen computergesteuerten U-Bahn ist eine Reise wert. Durch große Panorama-Frontfenster kann jeder Fahrgast während der Fahrt hinaus in die teils zwei bis dreihundert Meter geradeaus führenden Tunnel blicken. Und zum U-Bahn-Fahren hatten wir wirklich ausreichend Gelegenheit, denn aufgrund eines Missverständnisses gab es keine kleine organisatorische Panne mit unserem etwas abseits gelegenen "Hotel". Auf dem Con hatte es noch geheißen, für uns wäre ein eigenes Apartment gebucht worden, aber niemand wusste, wo es lag, und keiner hatte Zeit, uns dorthin zu bringen. Also rief einer der Con-Organisatoren ein Taxi und drückte uns 150 Kronen und einen Zettel mit der Adresse in die Hand. Zusammen mit Erik Simon, der in Hamburg dem Zug nach Kopenhagen zugestiegen war, und Markus Hammerschmitt, der per Flugzeug angereist war, standen wir nach einer kurzen Odyssee durch die Stadt vor dem nachtfinsteren Gebäudekomplex des größten Kopenhagener Studentenwohnheims. Im Inneren des Eingangsbereiches, den man natürlich nur per Computerchipharte (oder in unserem Fall: einer im Erdgeschoss wohnenden, durch heftiges Winken und Gestikulieren aufmerksam gemachten Studentin) betreten konnte, standen wir nach einer weiteren abenteuerlichen halben Stunde (es war inzwischen 22:30 Uhr) mit Sack und Pack zu viert völlig konsterniert in unserem "Apartment" - einem Zwölf-Quadratmeter-Gästezimmer, in dem lediglich zwei Betten standen. Bad und Toilette befanden sich zwei Stockwerke tiefer direkt neben dem Aufzug. Gäste- wie auch Badezimmer konnten ebenfalls nur mittels einer Chipkarte betreten werden, wobei das Bad noch von sechs weiteren Gästeparteien benutzt wurde. Markus, Erik und ich haben nicht viel gemein, doch in einer Sache waren wir uns einig: So etwas hatten wir noch nie erlebt.

Nach diversen Telefonaten mit den Con-Organisatoren wandelte sich schließlich doch noch alles zum Guten. Markus und Erik kamen privat bei zweien der Organisatoren unter, meine Freundin und ich nach einer Nacht im Studentenwohnheim (bzw. in der Bar des Wohnheims, in die wir bis morgens um drei von zweien der Con-Veranstalter verschleppt worden waren) bei den Larns, der wohl nettesten Familie Dänemarks. Dort, dreißig Kilometer außerhalb Kopenhagens, in einem verschlafenen Dorf namens Hedehusene, zeigte sich mal wieder, wie klein die Welt doch ist. Knud Larn, auf dem Con Dänisch-Deutsch-Übersetzer und der Moderator des Panels über deutsche SF, zeigte mir seine Fanzine- und Magazinsammlung - und machte mich stolz auf seine eigenen Fanzines aufmerksam, deren letzte acht Ausgaben ausnahmslos von Covern von Thomas Thiemeyer geziert werden.

Interessant war es zu erfahren, wie mein Roman "Imagon" von den Dänen aufgenommen wurde - spielt doch ein Teil der Handlung in Kopenhagen. Meine Befürchtung, ich hätte völligen Kokolores geschrieben, bewahrheitete sich Gott sei Dank nicht. Anscheinend hatte ich gut genug recherchiert. Jedenfalls waren jene, die das Buch auf deutsch gelesen hatten, sehr vom Roman angetan. Lediglich der Nachnahme meines Protagonisten, Poul Silis, hatte in Dänemark noch nie jemand gehört. Und die Frederikskirche, die ich im Buch beschreibe, besitzt, wie ich ernüchtert feststellen musste, keinen Turm, sondern eine gewaltige Kuppel ...

Auf dem Fantasticon anzutreffen war zudem ein ständig aus der Puste kommender Harry Harrisson, der gerne und ausgiebig über die langen Fußwege zu den Con-Lokalen fluchte und in diesen nicht müde wurde, seine Weltkriegsstorys zu erzählen. Und ein immer gut gelaunter Christopher Priest, dessen Frau uns auf der Dead-Alien-Party verriet, dass Chris bei seinen Besuchen in Deutschland den Namen der Stadt Bayreuth ständig wie "Beirut" aussprechen würde. Richard-Wagner-Festspiele in Beirut ... Ich hoffe, die Amis erfahren nie etwas davon.

Wieder zurück in Deutschland, galt es eine Woche Arbeit aufzuholen. Für viele PANORAMA-Besucher war es nicht schwer, aus meinen kryptischen Andeutungen herauszulesen, woran ich seit Anfang April arbeite: am Storyboard und dem Dialog-Design für ein sehr aufwändiges SF-Computerspiel - obwohl nicht alle Leser mit meiner Umschreibung "bewegte Bilder, aber kein Film" etwas anfangen konnten. Die Eselsmütze geht an Thomas Thiemeyer. Er tippte allen Ernstes auf Daumenkino! (Mann, Alter ...!)

Inzwischen ist die Pre-Production recht weit fortgeschritten, doch mehr als die obige Beschreibung und die Information, dass es eine Art Space Opera wird, darf ich nicht ausplaudern. Keine Entwürfe, keine Handlungsskizze, nicht einmal die Namen der involvierten Studios. Zum einen, weil die Konkurrenz nicht schläft, zum anderen, weil es noch nicht sicher ist, dass das Spiel tatsächlich produziert wird. Letzteres hängt von der Entscheidung der Bonder ab - also jener Leute, die den Großteil der Versicherungssumme übernehmen - und natürlich von der Öffnung des Fonds, aus dem das Spiel finanziert wird (was an gewissen Leuten in den USA liegt). Gegen Mitte/Ende Juni dürfte beides geklärt sein. Mit der ersten Pressemitteilung ist jedoch erst ein halbes Jahr nach Produktionsbeginn zu rechnen, also frühestens gegen Ende 2005.

Derzeit zerbreche mir den Kopf über die Personencharakterisierung, die Handlungseckpunkte und die einzelnen Spielmissionen und stelle sie den Verantwortlichen im Zweiwochenabstand vor. Dabei ist es faszinierend zu beobachten, wie die eigenen Ideen auf Begeisterung stoßen und sich in den Augen der Verantwortlichen dieses verdächtige Funkeln bildet. Wie das eigene Kopfkino auf andere kreative Menschen projiziert wird und diese beginnen, den imaginären Faden weiterzuspinnen ("Dann könnten wir doch noch dies und das integrieren, und das könnte ja dann so oder so aussehen, und, und, und ...").

Wie auch immer: Die komplette Story eines SF-Computerspiels zu schreiben, ist eine Herausforderung, die begeistert. Man sitzt nicht mehr monatelang einsam werkelnd im stillen Kämmerlein, sondern trifft sich regelmäßig mit den Verantwortlichen des Spieleherstellers und den externen Grafikern der Designstudios, um durchzusprechen, was möglich ist und was nicht. Es herrscht ein ständiges Synchronisieren der Tätigkeitsfelder, ein stetiger Austausch an Gedanken und ein direktes Feedback auf alle Ideen, Abläufe und Plots, was ungemein wichtig ist bei einem Auftrag dieser Größenordnung. Und sobald mir anhand der neu entstandenen Spielfragmente vorgeführt wird, was mittels Next-Generation-Engines und -Technik alles möglich ist und wie das Spiel am Ende aussehen wird, kann ich nur noch Bauklötze staunen ...

 

11. April 2005


Surface Die Pre-Production läuft! Und zum ersten Mal seit fast zehn Jahren sitze ich, sofern ich nicht am Storyboard arbeite, mit wachsender Begeisterung wieder über einem großformatigen Zeichenblock und entwerfe Skizzen - von Aliens, Alien-Raumschiffen, Planetenoberflächen und gewaltigen Monumenten, und das sogar aus diversen Perspektiven. Die gelungensten Skizzen wandern in einigen Wochen in die Hände sehr fähiger Leute, die die Entwürfe schließlich ... ähm - umsetzen. Allerdings muss ich gestehen, dass ich nicht wirklich für das Projektdesign verantwortlich bin, sondern für die gesamte Story und die damit verbundene Personencharakterisierung (Aliens natürlich inbegriffen). Ehe ich mir jedoch gegenüber den wirklichen "Machern" den Mund fusslig rede, reaktiviere ich lieber die alte Gabe und fertige Skizzen an.

Hätte mir jemand vor einem Monat weismachen wollen, ich würde schon heute an einem Projekt mitarbeiten, das einer Space Opera gleichkäme und mit einer Raumschlacht beginne, hätte ich ihn ohne zu zögern für geistig umnachtet erklärt. Doch was mache ich? Zerbreche mir seit Stunden den Kopf darüber, wie mein überraschter Protagonist in besagte Raumschlacht verwickelt werden könnte ... Da ich inzwischen auch eine Geheimhaltungsvereinbarung (sic!) unterschrieben habe, werde ich jedoch auch weiterhin brav um den heißen Brei herumreden und mich nach den Pressemitteilungen der Auftraggeber richten. Aber man kann ja auch einiges erzählen, ohne tatsächlich etwas zu sagen. Jedenfalls wird es ein weiter, anstrengender, aber auch höchst interessanter Weg, bis Ende 2007 das Resultat vorliegt. Mühsam nährt sich das Eichhörnchen.

 

4. April 2005


Endlich wieder daheim in den eigenen vier Wänden. Von Mitte Februar bis Anfang April war ich gerade mal zehn Tage zu Hause. Sogar die letzten Änderungen an den MORPHOGENESIS-Satzfahnen fanden on the road statt, während eines einstündigen Telefongesprächs mit dem Lübbe-Cheflektor. Seit zwei Wochen ist der Roman nun in Druck. Rien ne va plus, wie schon so oft. Und sie drucken ihn tatsächlich so, wie ich ihn abgeliefert habe, mit allen gespaltenen Schädeln, zerfetzten Leibern, Blutfontänen und gar grauslig Höllentiefen, die darin beschrieben werden. Einer der beiden Korrektoren, die das Manuskript Anfang dieses Jahres lasen, fragte mich vor einigen Wochen am Telefon: "Weiß Lübbe eigentlich, was sie da erwartet?" "Nein", antwortete ich wahrheitsgemäß, "sie hatten einfach keine Zeit, ihn zu lesen." Daraufhin der Korrektor: "Dann sag ich nur: surprise, surprise!"

Prädikat: Der besondere Roman! ;-)

In etwas mehr als zwei Wochen geht es nach Kopenhagen, auf den Fantasticon, wohin man mich bereits letzten November auf dem Utopiae-Festival in Nantes eingeladen hat. Ich müsse unbedingt mit dem Zug anreisen, drängte mich einer der Veranstalter, denn dann könne ich eine der längsten Eisenbahnbrücken Europas überqueren; die Storebelt-Brücke über den Großen Belt. Einige Wochen später kam im Fernsehen die Meldung, ein großer Frachter sei versehentlich gegen einen der Brückenpfosten gefahren - Bonnnggg! ... Ich fahre trotzdem mit dem Zug. Weitere Ehrengäste in Kopenhagen sind u. a.: Harry Harrison, Christopher Priest, William J. Maryson, Marcus Hammerschmitt, Sam J. Lundwall, Kenneth Bøgh Andersen, Christian Haun und Erik Simon.

Nun passieren die interessantesten Dinge immer dann, wenn ich gerade mal nicht zu Hause bin. So geschehen vor genau zwei Wochen in Gestalt eines Projektangebotes, was zur Folge hatte, dass ich wieder für ein paar Tage "anreisen" musste, um erste zaghafte Verhandlungen aus den eigenen vier Wänden heraus zu führen. Einerseits würde ich über besagtes Projekt natürlich gerne ein paar Dinge erzählen, andererseits ist alles so top secret, dass ich höchstens um den heißen Brei herumreden und vage Andeutungen machen dürfte. Was vor zwei Wochen mit einem Angebot und einem regen E-Mail-Wechsel begann und letzte Woche mit ersten telefonischen Verhandlungen weitergeführt wurde, endet morgen mit einem persönlichen Treffen nebst Mittagessen in Hannover - und (hoffentlich!) einem Vertrag und grünem Licht, denn der finanzielle Aspekt der Sache ist bemerkenswert.

Dieses sich langsame Annähern an eine doch ziemlich zeitaufwändige und umfangreiche Sache ist eine ebenso spannende wie nervenaufreibende Angelegenheit. Sollte morgen oder spätestens Ende dieser Woche ein Vertrag zustande kommen und das Projekt (oder besser gesagt: die Pre-Production) starten können, werden sich nicht nur einige Pläne wie die Festa-Storysammlung und der Jugendroman um mindestens ein halbes bis ein ganzes Jahr verschieben, sondern zweifellos auch der nächste große Roman für Lübbe.

Bevor jedoch nicht wirklich alles in trockenen Tüchern ist, nur soviel: Es handelt sich um bewegte Bilder, aber nicht um einen Film ...

 

10. März 2005


The work is done

 

18. Februar 2005


Da ich von heute an den gesamten restlichen Monat mein Unwesen in Berlin treiben werde, gibt es den nächsten PANORAMA-Eintrag erst wieder Anfang März. Vielleicht läuft man sich ja zufällig in der UFO-Buchhandlung über den Weg - oder auf dem Konzert der Chemical Brothers ...

 

14. Februar 2005


Hoelle
Neues Jahr, neues Vergnügen!

Seit Ende letzter Woche ist MORPHOGENESIS vollständig beim Verlag abgeliefert; inklusive Klappentext, Glossar (sic!), Nachwort und Danksagung. Zudem habe ich es endlich geschafft, die seit November angekündigte MORPHOGENESIS-Seite online zu stellen (www.marrak.de/morphogenesis). Da es noch über drei Monate bis zu Veröffentlichung sind, gibt es vorerst nur einen kurzen Text zur Entstehung des Buches und zwei Auszüge aus dem Roman. Drei weitere Leseproben und die Infoseite werden im Laufe der kommenden Monate freigeschaltet. In Kürze wird man auch einen Direktlink auf der Startseite finden.

Da ich aufgrund des zurückliegenden Lektoratsmarathons geistig noch nicht so ganz auf der Höhe bin, gibt's als ersten Panorama-Eintrag des Jahres seichtere Kost. Soll heißen: Es ist mal wieder Zeit für den Babelfisch. Wie die meisten Leser wissen (und das Bild über diesem Eintrag ahnen lässt), geht es in MORPHOGENESIS um die Hölle. Besser gesagt: Um die Duat, das ägyptische Totenreich. Vor zwei Wochen suchte ich für das Glossar des Romans die korrekte Erläuterung des Begriffes Malebolge. Diese sogenannten "Elendsgruben" bilden in Dantes Inferno den 8. Kreis der Unterwelt, ein konzentrisches Gebilde aus zehn tiefen Gräben, die die innerste Hölle umgeben. Tatsächlich fand ich im Internet einen sehr fachkundigen englischen Text dazu, der jedoch vieles von seinem beschriebenen Grauen einbüßt, sobald man ihn vom Babelfisch übersetzen lässt - und dies nicht allein aufgrund der Übertragung des Begriffes evil pouches ... Das Ergebnis liest sich (in gekürzter Form) wie folgt:

Der achte Höllenkreis: Anders als die anderen Kreise hat dieses reizende Stück von Immobilien einen Namen - "Malebolge" - verschieden übersetzt als "schlechte Taschen", "schlechte Abzugsgräben", oder "schlechte Puderbeutel".

•  In Puderbeutel eins treiben Dämonen die sinners an und fahren dort mit Kupplern und Verführern.

•  Puderbeutel zwei enthält die Flatterer, die bis zu ihren Ansätzen in Ausscheidung gesunken werden.

•  Einflüsse des Puderbeutels drei: die Verkäufer der Kirchebevorzugungen. Diese sinners sind in Position gebrachte Oberseite unten "in den Sortierfächern", die baptismal Schriftkegeln ähneln. Die Sohlen ihrer Füße werden funkelnd eingestellt. Sie bleiben in dieser Position, bis neue sinners ankommen, dann sie fallen unten in die Felsenspalte während aller Ewigkeit.

•  In Puderbeutel vier sieht Dante die wahren Sager. Diese sinners haben ihre Köpfe rückwärts an.

•  Einflüsse des Puderbeutels fünf: die betrügerischen Pfropfmesser. Sie werden im klebrigen Teertaktabstand - eine vollkommene Bestrafung für ihre Leben des klebrigen Fingerverbrechens - untergetaucht. Diese sinners werden rüber von den Dämonen aufgepasst, die mit mörderisch Haken und Greifern bewaffnet werden.

•  Die Diebe werden in Puderbeutel sieben bestraft. Sie werden mit einer besonders schwierigen Bestrafung versehen, umgeben durch die ungeheueren Schlangen, die umwickeln und schnell binden.

•  In Puderbeutel zehn sieht Dante Alchemisten und schlechte Imitatoren, nicht Elvis-Imitators aber, Fälscher und falsche Zeugen. Von diese sinners, die im Leben verdorben alle, jetzt werden gebildet, um auszuhalten jede Art Schmerz und Schwärzung.


Ja, ja, die Hölle ...




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